13.06.2007

Politikverdrossenheit : unser Beitrag zum Politik-Blogkarneval

Soeren Onez vom onezblog.de hat zum Ersten politischen Blog-Karneval geladen. Da wir die Idee eines Blogkarnevals als virtuellen Ort der Begegnung gut finden und unterstützen wollen machen wir da jetzt einfach mal beinhart auch mit obwohl das Metier von UNTERNEUNTUPFING Aktuell eigentlich Satire und nicht Politik ist. Und äußern uns halt auf unsere Art zum Thema : “Politikverdrossenheit in Deutschland. Wohin führt uns die Parteiendemokratie? Kritiken, Analysen und Utopien sind gefragt!”...


Deutschland ist zB anders als Länder mit Ein-Mann-Diktaturen geprägt von einer Mehrparteiendiktatur : egal was der Wähler wählt - er bekommt die herrschenden Gesichter und Hinterteile einfach nicht los egal wieviel sie angestellt und verbrochen haben. Der Bundestag wird geführt von quasi einer neuen sozialistischen Einheitspartei die in fünf Splittergruppen (reale, demokratische, christliche, ökologische und liberale Sozialisten) aufgeteilt ist von denen keine einzige frei ist von gesetzlich institutionalisierten klassenkämpferischen Gedanken und Strukturen. Zur politischen Korrektheit in Deutschland gehört es heute für jede Bewegung (außer vielleicht den Nationalisten) zum guten Ton programmatisch nicht allzu weit rechts von der Marxistisch-Leninistischen-Partei zu stehen um nur ja nicht den Odem des üblen Neoliberalismus zu versprühen, weil das kostet Stimmen. Stimmen kosten Mandate. Und wovon soll ein Politiker denn nach einer Politikkarriere leben wenn er nicht von seiner Partei in irgendwelche Ämter, Betriebe der öffentlichen Hand oder ins Europaparlament entsorgt werden kann?

Fast alle Politiker kommen aus charakterlich und zerebral einfachsten Verhältnissen, auch wenn einige immerhin fundierte Ausbildungswege wie zB ein NRW-Abitur, eine Gewerkschaftsakademie oder ein Soziologiestudium abgeschlossen haben. Anders als in der freien Privatwirtschaft wo es vom kleinen Sachbearbeiter bis zum großen Vorstand üblich ist dass man für gutbezahlte Jobs eine Reihe von Leistungen, Kenntnissen und Errungenschaften im curriculum vitae stehen haben sollte besteht eine typische Politikerbiografie fast immer ausschließlich aus Mitgliedschaften, Mitgliedschaften die auch im Internet sogar noch stolz angeführt werden. Die einzige geistige Leistungsfähigkeit die es für eine Mitgliedschaft braucht ist zur rechten Zeit die richtige Unterschrift für das jeweils richtige Parteibuch gemacht zu haben. Oder andersum : wer heute in die Politik geht muss das tun - weil in der freien Privatwirtschaft wäre niemand so wahnsinnig diese Leute um dieses Geld einzustellen.

Allerdings auch anders gedacht : entsteht Politikverdrossenheit nicht auch durch völlig überzogene Erwartungen an diese Kaste aus der Bevölkerung? Betrachtet man die Vorerfahrungen und Kenntnisse und Befähigungen die diese Leute heutzutage mitbringen - müsste man da nicht eigentlich schon froh sein wenn sie keine allzu großen Kriege anzetteln, die Wirtschaft nicht allzu sehr ruinieren und das Sozialwesen samt sozialen Frieden nur zur Hälfte kaputt machen? Und zuletzt noch sophistisch gedacht : vielleicht ist es auch gut so daß die Leute heute Politik machen welche völlig befreit von Sachkompetenz, Praxiserfahrung und realistischen nützlichen Visionen an ihre Nichtarbeit herangehen können - welchen Schaden würden wohl erst Menschen anrichten die Kompetenzen und echte Fähigkeiten mitbringen? Vielleicht liegt man gar auf der sicherern Seite dadurch eben jene an die Spitze der Gesellschaft zu spülen bei denen man sich darauf verlassen kann dass sie einander in kollektiver Unfähigkeit bloß neutralisieren?

Sehr viel zur Politikverdrossenheit tragen neben den Politikern und Berufsfunktionären natürlich auch deren Helfer und Parteisympathisanten bei. In Österreich (und im Bayrischen) gibt es im Volksmund das Sprichwort "Wia da Herr so's Gscher.", was auf Hochdeutsch soviel heißt wie "So wie der Herr so das Gesinde." Ob es nun die einen Chaoten und Lebensversager sind die mit Demos und Aufmärschen und Vandalismus Tagungsorte verwüsten, oder die anderen Dumpfis und Modernisierungsverlierer die Asylantenheime abfackeln, ob es die Kampfposter sind die Tageszeitungen und Foren mit der täglichen Überdosis Klassenkampf zumüllen, oder Fanatiker die selbst noch das Kunstrasenforum kippen mit wirren Ideen die sie missionierend unter die Leute bringen. Auch wenn der Fisch beim Kopf zu stinken anfängt, am großen Rest ist noch viel Platz für schlechten Odor. Und große Teile der selbsternannten unabhängigen Qualitätspresse sind samt den Blättern mit stramm ideologischer Blattlinie die gut funktionierenden Rohre in der Kanalisation des täglichen politischen Schlammflusses.

Wenn man über Politikverdrossenheit und deren Verursacher spricht dann soll konsequenterweise auch nicht der ((selbst)kritische) Blick in die politische Blogosphäre unterbleiben. Blickt man als nicht mehr ganz junges Semester und distanter Aussenstehender ins politische Kleinbloggersdorf dann stellt man rasch folgende Archetypen unter den Politbloggern fest:


  • Eine kleinere Minderheit von Herren im bereits verwelkenden Alter die keiner mehr in der freien Wirtschaft brauchen kann und die unbedingt noch mal Heiner Geißler spielen wollen, allerdings mit noch viel politisch esoterischeren Ansichten

  • Eine satte Horde von jungen Hardcorepolitbloggern mit heftiger Schlagseite zu einer Gesinnung weit abseits der Mitte. Bei diesen Jungs möchte man dem Schicksal auf Knien danken dass sie bloß bloggen und nicht die Geschicke der Gesellschaft mitbestimmen dürfen...

  • Schicksal sei dank gibt es aber auch unter den Politikbloggern nicht wenige junge Leute die sich viele Gedanken machen, eigene Wege suchen, viel eigenes Zeuchs schreiben statt Agitation zu kopieren - und auch wenn ein älterer Herr bei einigen darunter das Gefühl hat so manch Gedanke könnte noch ein gerüttelt Maß an Reifung und Lebenserfahrung gebrauchen - diese Politikblogger sind eine Hoffnung dass sie es einmal besser machen werden als die alten Tüten und Behältnisse die heute am öffentlichrechtlichen Ruder sind


Im Thema zum Blogkarneval wird auch nach Utopien gefragt, einen Kelch den wir jetzt großteils (aus Rücksicht auf den Leser) an uns vorüber ziehen lassen werden, schließlich sind wir dafür berüchtigt seitenweise utopisch sein zu können. Auch werden wir jetzt keine Top 10 Verbesserungsvorschläge schreiben, obwohl das in manch Kreise dieser Tage sooo trendy ist (eine davon reicht). Allerdings erlauben wir uns doch ein paar wenige Vorschläge zu ergänzen, angelehnt an die freie Privatwirtschaft und angelehnt daran auch den Politikern das zuzumuten was die Politik den Bürgern zumutet:
  • In Deutschland braucht man für absolut alles einen Befähigungsnachweis und eine Genehmigung der Behörde, allerdings zwei Dinge darf jeder werden ohne nachweisen zu müssen dass er/sie das auch kann : Eltern und Politiker. Die Folgen dieses fehlenden Befähigungsnachweises läßt sich bei Ersteren in allen PISA-Studien nachlesen, bei Zweiteren in jedem öffentlichen Finanzhaushalt der letzten 5 Jahrzehnte. UNTERNEUNTUPFING Aktuell tritt seit jeher dafür ein dass ein Politiker zuerst einmal mindestens 5 Jahre erfolgreiche Erfahrungen in der freien Privatwirtschaft (auf eigenes Geld & Risiko & Haftung gewirtschaftet) nachweisen muß bevor er oder sie mit Steuerzahlers Geld rumfummeln darf.
  • Jede Ich-AG haftet mit vollem persönlichen Vermögen für eigenes Handeln (und auch Pech). Man kann das sicherlich auch von Politikern und Parteien verlangen, Regierung & Opposition haften solidarisch wie Vorstand und Betriebsrat. Politiker können ihr Risiko ja wie normale Gewerbetreibende auch mit einer Haftpflichtversicherung absichern. Macht die öffentliche Hand Miese so ist das aus eigener Tasche zu ersetzen, so wie bei allen anderen Erwerbstätigen auch.
  • Schluß mit staatlicher Parteienfinanzierung. Parteien und deren Parteisoldaten sollten auf Spenden (unsertwegen steuerlich tlw absetzbar) von natürlichen und juristischen Personen angewiesen sein, wer keine Spenden bekommt geht so wie jede andere Unternehmung pleite weil der Konsument die angebotenen Leistungen nicht kaufen will. Und bitte kein Hinweis Politiker und Parteien wären gemeinnützig - sie sind vielmehr gemeingefährlich, ein Wort das häufig verwechselt wird.
  • Zuguterletzt : wer in ein öffentliches Amt kommen will muss in einer direkten Personenwahl den Wähler überzeugen und muss dazu in keiner Partei sein. Politik so wie sie heute in Deutschland ist ist in der Autometapher gesprochen so dass ein Kunde zu einem Autohändler sagt "Ich will von Ihnen gar kein Auto." und dafür eine Rostschüssel bekommt die noch 500 Euro Entsorgung kostet und für die der Kunde dem Händler 50.000 Euro bezahlen muss.


UNTERNEUNTUPFING Aktuell wünscht Soeren Onez dass sich viele Politikblogger am Karneval beteiligt haben werden und den Teilnehmern dass sich viele interessante Begegnungen daraus ergeben werden. Außerdem haben wir uns sehr über den Oscar in der Kategorie Unnötigster Nebenbeitrag gefreut, wir danken unseren Müttern, unseren Vätern, unseren Großeltern, unserer Visagistin, unserem Psychotherapeuten, unserem Redaktionsseelsorger, unserem GlenDingsbumslieferanten, unser.... you're so wonderful tonite, thankyouthankyou, shame on you Mister Bush.

(Bild: Daveybot / flickr / CC BY)