19.05.2007

Kampf den faschistischen Straßen

Selbst 70 Jahre nach einer der dunkelsten europäischen Geschichtsphasen werden immer noch gefährliche Kriegsrelikte gefunden die das Leben der Stadtmenschen zutiefst bedrohen. Die Rede ist nicht von Fliegerbomben, sondern von historisch belasteten Straßennamen. Wackere Kämpfer gegen den Faschismus haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht (weil sie offensichtlich nichts besseres zu tun haben?) die bedrohten Städter von belasteten Straßennamen zu befreien. Wir sind dem Phänomen anläßlich eines aktuellen Falles näher nachgegangen.


Straßenumbenennung ist immer noch eine beliebte zeitgenössische Betätigung politischer Interessensgruppen einer bestimmten Gesinnungsrichtung. Ob in Berlin, Münster, Nürnberg, München, Düsseldorf, halb Oberösterreich, Reutlingen, Klagenfurt, Dietrichsdorf oder eben gerade in Wien : auch wenn Städte heutzutage meterhoch in Hundekot ersticken, unter Verkehrslawinen stöhnen, extratiefe Löcher im kommunalen Haushalt ein gigantisches Echo schlagen, Obdachlosigkeit immer noch ein ungelöstes Problem ist genauso wie der Mangel an Grünflächen und Erholungsraum - allerhöchste Priorität muss immer noch Jahrzehnte danach den Straßennamen gelten - diese müssen jedem Unariernachweis standhalten. Für den Kampf gegen den Antifaschismus.

Straßenumbenennung ist immer noch für die kartografischen Verleger und Auskunftsdienstleister ein gutes Geschäft. Nichts schlimmer wenn etwas ewig gleich bleibt, solange es nur ausreichend antifaschistisch ist. Da dem Antifaschismus nicht geholfen wäre werden auch nicht alle vermeintlich historisch belasteten Plätze auf einmal umbenannt (70 Jahre später müsste man ja doch schön langsam eine komplette Liste der inkriminierenden Straßennamen haben), sondern immer eine nach dem anderen - damit der antifaschistische Straßenkampf auch stets in den Medien präsent bleibt. Eine antifaschistisch reine Stadt ist schlußendlich eine bei der sich der Straßenplan am Schluß wie bei einer typischen Kleinstadt in der DDR der 1970er Jahre liest.

Wenig Freude mit den Umbenennungen haben hingegen die Bürger die in diesen Straßen leben. Müssen doch Adressen neu bekannt gegeben werden, Visitenkarten neu gedruckt, Firmen können ihre Briefpapiervorräte einstampfen und neu drucken lassen usw usf. Aber das muss der Kampf gegen den Faschismus wert sein.

Viele kleinere Gemeinden können sich diesen Kampf der Straßenumbenennung nicht leisten und haben daher vorsorglich versucht in ihrem Gemeindegebiet unverdächtige Straßennamen zu verwenden:

  • z.B. nach Blumen : Lilienstraße, Rosengasse, oder wer ganz auf Nummer sicher gehen will Nelkenallee, aber Hand aufs Herz - da es im dritten Reich auch Gärtner gab ist es nur eine Frage der Zeit bis auch diese Straßen drann glauben müssen.

  • z.B. Nummernweise wie in Amerika : ob 5th Avenue oder 42nd Street - auch diese Varianten wären nicht wirklich antifaschistisch rein weil die Nazis über alles Buch geführt haben und somit auch sämtliche Zahlen historisch belastet sind

  • z.B. Einheitsstraße nach Ortsnamen : in Unterneuntupfing wohnen z.B. so wie in vielen anderen Kleinstgemeinden alle in der Unterneuntupfinger Hauptstraße. Obwohl die Gesamtstraße in einschlägigen Gesinnungskreisen natürlich wohlwollend aufgenommen wird bleibt dennoch das Restrisiko dass der ganze Ort in einen antifaschistischen Widerstandskämpfer umbenannt werden muß, z.B. in Claudia-Roth-Stadt oder Simon-Wiesenthal-Stadt


Wie auch immer, beim aufrechten Kampf gegen den Antifaschismus darf auf so unbedeutende Dinge wie gesunder Menschenverstand keine Rücksicht genommen werden. Einstweilen dürfen wir noch als UNTERNEUNTUPFING Aktuell erscheinen, aber seien Sie darauf vorbereitet dass wir uns auch bald vermutlich in Neues Unterneuntupfing umbenennen müssen.

(Bild: chrisgan / stock.xchng / Royalty free)

1 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

September 2008. Die Wiener Zeitungen berichten, dass eine Margret-Dietrich-Gasse im 21. Wiener Gemeindebezirk umbenannt werden müsse, weil die Mitgliedschaft der Namensgeberin in der NSDAP im Zuge der Nachforschungen zum Jubiläum des 65. Jahrestag der Gündung bekannt geworden sei. Bis da hin hatte niemand gegen die Dame etwas einzuwenden gehabt, die ohne Parteimitgliedschaft gar nicht aus Deutschland an die Wiener Universität hätte kommen und das nun jubilierende Institut aufbauen können. Ihre zahlreichen theaterwissenschaftlichen Veröffentlichungen, die Humanität im Bühnenwerken die Humanität als Generalthema haben, deuten nicht auf eine nationalsozialistische Gesinnung hin, natürlich ist in einigen Texten die Diktion der Zeit für Hellhörige Inquisitoren zu erkennen. Das genügte den Wiener Grünen, die Umbenennung anzuregen. Sie schlugen die Wiener Theatermacherin Stella Kadmon als neue Namensgeberin vor, ohne zu ahnen, dass man nach dieser schon eine Wiener Verkehrsfläche benannt hatte.
Der Witz an der ganzen Sache: Eine Margret-Dietrich-Gasse hat es noch gar nicht gegeben. Und die Grünen haben damit auch nicht gerade Wählerstimmen an sich gezogen ...