01.08.2007

Arbeiten bei der Stadt Wien - Paradies der Glaubenstoleranz?

Ödet es Sie nicht auch an sich täglich für Ihren privatwirtschaftlichen Arbeitgeber rauszubrezeln, vielleicht dann auch noch stupide Dienstkleidung im corporate design oder im Branchendresscode tragen zu müssen? Dem kann vielleicht Abhilfe verschafft werden: vielleicht besorgen Sie sich das passende Parteibuch, toasten sich im Solarium ausreichend dunkel um sich von den Einheimischen abzuheben und bewerben Sie sich für den Dienst bei der Stadt Wien - einer Oase der Glaubenstoleranz...


Wie DiePresse.com berichtet zählt die Stadt Wien wohl zu jenen Arbeitgebern die in punkto Toleranz und Rücksicht auf den Glauben der Bediensteten ein goldenes öffentliches Händchen hat. So seien jüngst die Mitarbeiterinnen islamischen Glaubens im Sommer sogar mit einem eigens gestalteten Dienstkopftuch ausgestattet worden, was sicherlich für die braven Musliminnen eine enorme Arbeitserleichterung bei 36°C war. Toleranz gegenüber Religionsmerkmalen sei sowieso längst unumstößlicher Usus im öffentlichrechtlichen Bereich - so sei es strenggläubigen Sikhs nicht nur bei den Wiener Linien sondern sogar beim Bundesheer erlaubt Turban und ungeschnittenes Kopf- und Barthaar zu tragen (man stelle sich vor ein Menschenschmuggler wird von einem österreichischen Sikh-Grenzschutzsoldaten angehalten: "Scheiße Bogdan! Kannstu nicht Karte lesen, wir haben uns um mindestens 2000 Kilometer verfahren, hauen wir ab bevor sie mit den Elefanten und Tigern kommen..."). Auch Moslems erwarte man während der Feiertage im Fastenmonat Ramadan nicht zum Dienst.

Diese überaus großzügige Toleranz des Steuerzahlers gegenüber seinen Bediensteten ruft natürlich auch Menschen auf den Plan die hier die Chance sehen einen Traumberuf zu ergreifen, unter tiefster Rücksichtnahme auf eigene ganz private Glaubensbekenntnisse (mit dem kleinen überwindbaren Nachteil sich natürlich vorher das passende Parteibuch zu besorgen um in den objektivierten Stadtdienst zu gelangen). Wir haben recherchiert und haben dabei folgende Gerüch(t)e aufgegriffen:

  • So reagieren angeblich immer mehr Naturisten auf die stets steigenden Preise privater Sonnenanbeterklubs und wollen stattdessen ihrer Leidenschaft fortan lieber bezahlt nachgehen. Streng gläubigen Naturisten ist das Tragen von Textilien verboten. Wie man so hört soll man bei der Stadt durchaus aufgeschlossen sein diesen Glauben zu respektieren, schließlich ist die Stadt hochverschuldet und Einsparungen bei der Dienstkleidung wären durchaus willkommen. Vermutlich wird man die naturistischen Bediensteten zu Ehren eines jüngst verstorbenen großen Sohns der Stadt Georg-Danzer-Brigade nennen, A Nockata im Hawelka wird fortan also bloß jemand vom Kontrollamt sein.
  • Interessanter wird schon werden ob auch die nächste Gruppe volle religiöse Toleranz widerfahren wird: wie man munkelt begehrt auch eine große Gruppe von Hedonisten Aufnahme in den Stadtdienst. Einem streng gläubigen Hedonisten ist es strikt untersagt an Tagen zu arbeiten deren Namen mit -woch oder -tag endet. Aus gut unterbelichteten Kreisen wird verlautbart dass man streng gläubige Hedonisten zwar besonders leicht in die bestehende Belegschaft integrieren könnte aufgrund der ähnlichen Arbeitsmoral, auch könnte man manche Staatskünstlerhonorare so ein wenig besser argumentieren, allerdings befürchte man dass der Rechnungshof bei der nächsten Prüfung diese Meinung nicht teilen werde.

  • Ferrarismo ist in Italien anerkannte Staatsreligion. Auch sehen Italiener in der Regel ausreichend südländisch aus um in Wien praktisch alles zu dürfen, aber hier sind dennoch Grenzen der Toleranz zu erwarten. Streng gläubige Ferraristi fühlen sich verletzt in ihrem Glauben wenn man ihnen zumuten würde sich (auch dienstlich) in einem anderen Auto fortzubewegen als einem Produkt aus Maranello. Das würde aber die Dienstwagenhierarchie in der Stadt durcheinanderbringen, und den amtierenden Bürgermeister könnte man in all seiner dynamischen Fülle wohl maximal mit Hilfe eines ausgebildeten Fleischers in einen Oberklasseferrari wuchten. Vermutlich wird der theologische Kompromiss darauf hinauslaufen streng gläubige Ferraristi in feuerroten Bauernferraris (Volksmund für einen rot lackierten Steyr-Traktor) in den Heurigenweinbergen zum Dienst zu schicken (ausgenommen natürlich während ferragosto).
  • Wenige Chancen auf volle Toleranz in Glaubensdingen rechnen sich hingegen angeblich die Undinisten aus. Streng gläubigen Undinisten ist es untersagt die kleine Notdurft ohne sexuelle Verquickung zu verrichten. Wie gemunkelt wird schätzt man die Zahl der durch Undinisten in ihren religiösen Gefühlen verletzten Wähler größer an als religiös verletzte Gefühle von Undinisten die während dem Dienst keinen Wasserspielen nachgehen dürfen.

Wie auch immer, schön dass danke Antidiskominimierungsgesetzen ganz besonders in Wien die religiösen Gefühle der bezahlten Mitarbeiter so hoch geschätzt werden, insbesondere wenn sie möglichst weit weg von Österreich ursprünglich geboren wurden. Nur schade dass die öffentliche Hand die pekuniären Gefühle des Steuerzahlers nicht ganz so respektiert, auch heuer verschulden sich trotz guter Konjunktur wieder die öffentlichen Haushalte so wie private das niemals dürfen...
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(Bild: babasteve / Flickr / CC BY)