In der Nacht auf den 11.Oktober 2008 verunglückt der international bekannte Politiker Dr.Jörg Haider bei einem Verkehrsunfall nahe Köttmansdorf. Er hinterlässt eine Familie, eine ohne ihn ziemlich glanzlose Partei, die Hoffnungen vieler Österreicher auf Veränderung im Land, und den Zweifel, ob man auf andere Politiker nicht eher hätte verzichten können...
Jörg Haider - eine politische Karriere in Österreich
Jörg Haider war gelernter Staatsjurist und entstammt einer politisch geprägten Familie. Erste größere Bedeutung erlangte Jörg Haider, als er 1986 in Innsbruck Norbert Steger als Vorsitzender der FPÖ ablöste. Die FPÖ war bis dahin in unterschiedlichen Phasen entweder eine sehr nationalistisch gesinnte Partei, in den 70ern bis Mitte 1980er eher eine pseudo-liberale 5%-Partei im Stile der heutigen FDP. Wobei liberal für österreichische Verhältnisse zu verstehen sei. Jörg Haider machte aus der FPÖ anschließend eine Protestpartei mit bis zu 30% Stimmen, und anschließend einen zerstrittenen Haufen mit wieder unter 10%.
Jörg Haider - seine Stärke war oft die Mieselsucht der anderen
Österreich war seit Jahrzehnten (und ist womöglich immer noch) eine Art austro-marxistische Sowjetrepublik, diktiert von einer Einheitspartei die aus den Fraktionen SPÖ und ÖVP gebildet wird, mit der Schattenregierung Sozialpartnerschaft (aus von niemandem demokratisch gewählten Funktionären derselben Parteien), aber mit Reisefreiheit, und in manchen Branchen sogar freien Wettbewerb, aber daneben mit Staatswirtschaft, Proporz, Parteibuch-Wirtschaft und einem Paradies für geschützte Werkstätten zu Lasten des Steuerzahlers. Jörg Haider hat sich den Kampf dagegen auf seine Fahnen geschrieben, und spätestens 1999 hatte die Bevölkerung (ähnlich wie heute) die Nase vom Sumpf der Großen Koalition bzw. von der Unfähigkeit der beiden "Volksparteien" SPÖ und ÖVP so satt, dass ein Drittel der Bevölkerung Jörg Haider die Stimme gab.
Jörg Haider und der Rechtsextremismus
Was weniger bekannt ist - innert der EU ist der frühe Jörg Haider durchaus durch konstruktive Sachbeiträge aufgefallen, besonders beim Thema Europa der Regionen, oder beim Thema Abbau des Subventionswahnsinns. Allerdings nicht der breiten Öffentlichkeit, die hatte sich stets auf den vermeintlichen Neonazi und Rechtsextremisten Haider konzentriert, fleißig gefüttert vom politischen Gegner der sich mit Sachargumenten selten zu wehren wusste.
Wiewohl Haider selbst natürlich seinen Gegner auch genug Argumente lieferte. Seine Eltern waren bei der NSDAP, Jörg Haider selbst verkehrte nicht nur als Student (genauso wie z.B. der rote Wiener Bürgermeister) in nationalistisch gesinnten Studentenkreisen, und in den Parteibewegungen unter der Führung Jörg Haiders fanden stets Personen Mitlauf, die über entweder ein sehr seltsames Geschichtsverständnis verfügen, oder durchaus befremdliche Vorstellungen weit abseits der politischen Mitte verfolgen.
Im Grunde genommen - weil Österreichs politische Landschaft ja extrem überschaubar ist - sammeln sich die linksextremen Spinner im Lande traditionell hinter Grüne und SPÖ, die rechtsextremen Spinner hinter der damaligen Haider-FPÖ, und ansonsten ist Österreich ein so armes Land, dass man sich nur zwei politische Richtungen leisten kann, und das Land flach wie eine Scheibe mit nur zwei Dimensionen.
Jörg Haider - Abstieg und Fall
Einmal ab 1999 in der Regierung, musste Jörg Haider relativ rasch erkennen, dass mit der eigenen Sumpftruppe in Koalition mit den Betonköpfen der ÖVP (die Teil des Systems sind das Jörg Haider so anprangerte und seine frühen Wahlerfolge ermöglichte) kaum etwas von dem zu realisieren ist, was man dem Wähler als großen Wandel versprochen hatte. Gleichzeitig hatte er vermutlich auch unterschätzt, wie groß und mächtig der Schmutzkübel seines politischen Hauptgegners ist. Und seine eigene Strahlkraft überschätzt, und wie jeder Manager, der sich in einer Lage zwischen miesem Personal, untergriffigem Mitbewerb und Überschätzung der eigenen Möglichkeiten verlaufen hat, begeht Jörg Haider mit der Zeit immer mehr politische Fehler, und beginnt sich auch zu verfransen. Am Ende trennten sich FPÖ und BZÖ im Streit, Jörg Haider war über die Jahre hinweg außer in Kärnten in die politische Bedeutungslosigkeit gefallen.
Jörg Haider - wie Phönix aus der Asche
Das Schicksal wollte es, dass Jörg Haider sein Comeback nun nicht mehr auskosten kann. Knapp zwei Jahr lang grottenüble Zustände großkoalitionärer Scheinpolitik reichten völlig aus, damit der böse "rechtsextreme Wähler" SPÖ und ÖVP mit rund minus 17% bei Wahlen abstrafte. Überraschend dabei wieder aufgestiegen ein mittlerweile milderer, altersweiser Jörg Haider als Führer des BZÖ, der vielen Österreichern wieder glaubwürdig geworden war, und deutlich weniger prollig wie die Jungs von der FPÖ. Man rechnete damit, dass Jörg Haider wieder den Kampf aufnahm gegen das was der Wähler bei den letzten Wahlen so drastisch abwählte. Mit dem Unfall nahe Köttmansdorf bestimmte das Schicksal, dass es anders laufen solle.
Jörg Haider, Nachrufe, Hass und de mortuis nihil nisi bene
Jörg Haider hat als Politiker und Person stets sehr polarisiert. Er hat einerseits viele Leute vom groben Schlag hinter sich geeint, und er hat sich auf der anderen Seite auch viele Primitivlinge als Feinde gemacht, kleine Leute, und mächtige Leute. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels ist die Nachricht über den Tod von Jörg Haider nur wenige Stunden alt, das Land kommt erst langsam aus den Federn. Wer Jörg Haider neutral gegenüber gestanden ist, aber altmodischen Benimmformen anhängt, wird heute und morgen wohl vermeiden, die Kommentarteile der Tageszeitungen zu lesen. Es werden sich genug primitive Menschen finden, die ihm eben dort selbst noch ins Grab nach spucken werden, so will es die Tradition. Weil Menschen nun mal so sind wie sie sind...
Weitere Artikel über Österreich, Politik, und Gedenken:
- Wahlen in Österreich : Sturz in den Rechtsextremismus?
- Che Guevara, Wien im Retro-Trend und die Kreml Mauer
12 Lesermeinungen:
Einmal mehr, werter Rick, sieht man wie die mainstream Medien uns kleine Bürger mit einseitigen Manipulivinfos vollstopfen, die bei neuraler und genauerer Betrachtung in den Müll gehören.
Danke Rick, für diesen objektiveren Blickwinkel des Phänomens Haider.
Friede seiner Asche...
Das Ableben von Jörg Haider ist ein schwerer Schlag für ganz Österreich!
Ich kannte diesen Mann zwar nicht gut aber ich kannte ihn persönlich!
Als ich ihn kennen lernte war ich noch ein kleines Mädchen und ich erinnere mich, dass er sehr nett und freundlich war als ich ihm gegenüberstand. Jörg Haider war wohl einer der Beste Politiker die es in Österreich je gegeben hat!
Es ist schwer akzeptieren zu müssen, diesen Mann nicht mehr in den Medien zu sehen oder zu hören und ihm nicht mehr gegenüber treten zu können!
Es war ein harter Schlag als es hieß Jörg Haider ist tot!
Österreich hat somit an Qualität verloren!
"..... es entbehrt nicht einer gewissen ironie, dass haider beim links vordreschen vom rechten weg abgekommen ist....."
..... hier gefunden.....
@kopfchaos: Daumen hoch! Sehr gut beobachtet!
Vielen Dank für den differenzierten
Nachruf.
Jörg Haider hat polarisiert und die Menschen bewegt.
Ich selbst habe auch einen Nachruf verfasst, mich aber nicht getraut diesen zu veröffentlichen.
Wer sich objektiv mit dem Phänomen Haider auseinandersetzt wird schnell in die rechte Ecke gestellt.
Wir Deutsche sind in puncto Pluralismus Legastheniker und die Zensur Schere im Kopf ist allgegenwärtig.
Mir wird er fehlen!
Lieben Gruß von
Harald
http://www.hartz-aber-lustig.de/
Ola Rick!
Mag sein, dass ich als "gefühlter Linker" beim Thema Haider in Schutzreflexe verfalle, aber ich kann über seinen Tod nicht weinen.
Mit Haider geht ein Mann, der um die Schlagzeilenmacht der neofaschistischen braunen Suppe Österreichs nur allzu gut wusste. Er hat sich dieses Gedankenguts aus meiner Sicht immer dann bedient, wenn es nötig war mal wieder die Titelseiten zu ziehren.
Kein Politker, der sich demokratisch nennt - sei er nun konservativ oder liberal oder sozialistisch - darf mit rassistischen und pseudonationalen Resentiments derart spielen, wie dies Haider tat. Österreich ist ohne Haider ein besserer Ort!
Mein "Lieblingsnachruf" ist der folgende:
Nahe der österreichischen Gemeinde Lambichl (bei Klagenfurt/Kärnten) lief in der Nacht von Samstag zu Sonntag ein Rechtsradikaler Amok.
Dabei wurden nach Polizeiangaben mehrere Verkehrsschilder, eine unbeteiligte Hecke, ein Hydrant und ein Betonsockel schwer beschädigt, außerdem erlitt eine schwarze Limousine Totalschaden. Der Amokläufer richtete sich anschließend selbst, Unschuldige kamen zum Glück nicht zu Schaden. Bei dem Täter handelte es sich um keinen Unbekannten: er war in der Vergangenheit schon mehrfach landesweit auffällig geworden, wurde von den Behörden allerdings immer wieder fälschlich als "harmlos" eingestuft.
Mit hanfigen Grüßen
Steffen
Dein Kommentar, lieber Dan, hat es so präzise wie nur geht auf den Punkt gebracht. Besonders bei Haider gilt, dass internationales Medienbild und die Wirklichkeit zwei komplett unterschiedliche Universen sind. Wiewohl Herr Haider daran nicht ganz unschuldig war, weil er gerne mit seinem Image spielte.
Wie gut Deutschland mit Meinungspluralismus kann, werter Harald, hat es ja zuletzt oft genug bewiesen, zB bei Hohmann, Möllemann oder Herman, allesamt gewiß keine Heiligen, und allesamt haben gewiß die eine oder andere Entbehrlichkeit von sich gegeben. Dafür sind die Deutschen unangefochtene Empörungsweltmeister, und es muss einen Grund geben, warum gerade auf Deutschem Boden Regime wie das Deutsche Reich oder die DDR sich so 'gut' entwickeln konnten...
Dieser Nachruf hier, guter Steffen, wurde da und dort aufgegriffen und verlinkt. Unter anderem von jugend:sprache, welche ihn als differenziert erkannten, Deutschland scheint also noch nicht ganz verloren.
Gerade als Deutscher, egal ob man nun links ist oder nicht (was wieder eine eigene Krankheit ist *zwinker*, weil wer immer nur mit einem Fuss geht dreht sich stets im Kreise), sollte man sich extrem davor hüten, sein Österreichbild aus deutschen Zeitungen zu beziehen. Was über Haider und Österreich wieder in den letzten Tagen in den Zeitungen geschrieben wurde, ähnelt wohl dem was ein Österreicher oder ein Schweizer mit politischer Gesinnung abseits der Mitte schreiben über Berlin schreiben würde, ohne jemals einen einzigen Tag seines Lebens jemals in Berlin verbracht zu haben.
Diepresse.com hat den Kommentarteil zur Todesmeldung binnen Stunden dicht gemacht, weil viele Leute sich es nicht verkneifen konnten, noch ins Grab nachzutreten. Derwesten.de hatte nach ein paar Stunden die hälfte der Kommentare genichtet, weil sie so unterirdisch waren, und den eigenen Artikel noch mal ein wenig redigiert, weil er wohl zu nahe an dem war, wie es die JungeWelt oder das NeueDeutschland geschrieben hätte.
Ob jetzt Oskar Lafontaine, Christoph Blocher oder Jörg Haider das Zeitliche segnet, es sollte eigentlich keine Frage der politischen Gesinnung sein soviel Charakter aufzubringen, die Leiche wenigstens 14 Tage lang auskühlen zu lassen, bevor man wieder darauf eindrischt...
Ola Rick!
Ich bin weit davon entfernt auf Haider "einzudreschen". Ich kann den Schmerz seiner Freunde und Verwandten nachvollziehen. Haiders Hinterbliebenen gilt mein vorbehaltloses Beileid!
Die Trauer um den Unfalltod eines Menschen darf jedoch nicht dazu führen, dass man ihn unkritisch zu einem Heiligen macht. Und berechtigte Kritikpunkte gab es im Leben des Herrn Haider mehr als genug.
Eine politisch gefärbte rosarote Brille braucht es deshalb nicht, um dem Ende der politischen Karierre des Jörg Haider etwas "gutes" abzugewinnen - nur ein wenig Menschenliebe und den Willen jenseits der Schlagzeilen, danach zu fragen, wie Haider wohl gehandelt hätte, wenn er die angestrebte politische Macht über Österreich tatsächlich in die Finger gekriegt hätte.
Ich gebe gerne zu, dass meine Kenntnisse über Haider zu einem Guttteil durch die außerösterreichische Medienlandschaft geprägt ist.
Meine Schlüße aus der Berichterstattung der "gleichgeschalteten Europaschreiberlinge" und mein Bild von Haider hängt aber weniger von der Empöhrung in Bild, Figaro und Times ab, als vielmehr von Voltaire, Kant und Robert A. Wilson.
Bei aller (Heimat)Liebe kann ich es nicht hinnehmen, dass Haider die Menschheit in gute (wertvolle) und schlechte (rechtlose?) einteilte.
Gorbatschow hat vor knapp 20 Jahren so treffend gesagt: "Wer nicht bereit ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, ist dazu verurteilt sie zu wiederholen."
Haider war in meinen Augen ein Mensch, der seine und die Geschichte Österreichs nur allzugern in Teilen ausblendete. Dabei hat er es hingenommen, dass seine Worte und Taten Österreich isolieren.
Mit Götz Widmann bin ich "ein guter Deutscher, der Europäer ist, wenn er nicht grad Kicken kuckt". Vielleicht gelingt es mir und Dir ja "Haiderkritiker zu sein, solange wir nicht bei seiner Beerdigung sind".
Mit hanfigen Grüßen
Steffen
P.S. "Der Weiher trüb, die Luft ist rein, Franz-Josef muss ertrunken sein."
Es kaum ein so gutes Beispiel, Steffen, für die Macht der Medien, Meinungsbildner oder Spin doctors wie Jörg Haider.
Und wenn es um die Vernaderung des politischen Gegners geht, dann sind die Linken die Besten. Nicht dass es die anderen nicht genauso versuchten, aber da haben die Linken einfach das bessere Marketing, kann man sagen was man will.
Stell Dir vor, man würde z.B. die rot-rote Berliner Regierung genauso in den Abgrund schreiben wie Haider. Man würde diese Regierung als kommunistisches menschenverachtendes Verbrecherregime bezeichnen, als neosozialistische Menschenverachter und Undemokraten. Schließlich sind SOzialismus und Faschismus nur zwei Geschmacksrichtungen vom selben Gift, man könnte sogar ähnliche Vokabel verwenden.
Und dennoch wissen wir, dass die Angelegenheit in Berlin eine andere ist, obwohl die dort herrschenden Leute genauso wenig Heilige sind wie Haider. Aber in Berlin gibt es trotzdem noch keine neue Mauer und keine neue rote Stasi, Berlin ist zwar heillos verschuldet, aber noch gibt es keine Enteignungen, und es gibt auch noch keine neuen Intershops, und für den Rest nur Gammelware. Genauso wenig wie es in Österreich neue KZs gibt.
Und die Berliner haben Wowi und Bande nicht deshalb gewählt, weil sie allesamt eine elende Stasibande sind und grausame Kommunisten, sondern weil Berliner nun mal auch eigen ticken. Und weil zB die Berliner Union zuletzt als Alternative so reizvoll war wie ein Eimer Klärschlamm. Nicht alle Berliner sind heimliche RAF-Terroristen.
Und eben nicht auch alle Österreicher Neofaschisten. Auch wenn manche Medien und manche linke Politiker das so erklären wollen.
Quintessenz : wer alle politischen Richtungen einigermaßen gleichmäßig verachtet, dürfte wohl der echten Realität am Nächsten sein... ;)
Jaja, Pim Fortuyn war auch kein Dummkopf.
Zum Thema (Rechts-)Populismus: LINK
Nachdem ich meinen Blick quer durch die Blogosphäre streifen lies, hatte ich es fast schon aufgegeben eine neutrale und sachliche Berichterstattung zur Person Haider zu finden. Schön dass es doch noch Menschen gibt, die über etwas ohne Häme und Schadenfreude berichten können.
Danke Eric. Irgendwer musste den Job ja machen...
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