18.09.2007

Wohin versickert eigentlich die EU-Microsoft-Strafe?

Die Richter der EU haben Microsoft dazu verdonnert 497 Millionen Euro Strafe zu zahlen. Dagegen ist die McLaren Buße ja geradezu ein Schnäppchen. Allerdings hat Microsoft nicht rumspioniert (zumindest nur seine Anwender, aber das macht ja ein modernes Innenministerium auch), sondern den Fehler begangen ein amerikanischer Großkonzern zu sein. Und in Zeiten gegenseitiger Wirtschaftskriege reicht das für ein politisches Urteil das wiederum den eigenen Bürgern schaden wird...

Casus Knackus
Die Welt der Software ist natürlich neben Politik & Wirtschaft auch eine religiöse Angelegenheit. Man gehe in ein beliebiges Computerforum und beobachte dort die Linux-, Mac- und Windows-Vertreter bei ihren theologischen Feden um das einzig wahre Betriebssystem und weiß was gemeint ist. Daher hat zumindest bei zwei der drei Betriebssystemweltreligionen das Urteil natürlich eine gewisse Schadenfreude ausgelöst, und auch gemäßigte Microsoftianer führen eine lange Liste an Angelegenheiten die den Redmonder Konzern nicht immer sympathisch machen. Man hatte Microsoft u.a. vorgeworfen mit einem kostenlosen Multimediaplayer die Konkurrenz auszuschließen und zu wenig Informationen über sein Betriebssystem an Dritte weiterzugeben und so sein Monopol zu schützen. Und an die Browsersache erinnern sich die Branchenkenner ohnehin noch.

Wie Urteile entstehen
Juristen und Politiker sind heute meist Leute die keinen einzigen Tag ihres persönlichen Lebens je im freien Wettbewerb auf eigenes Geld & Risiko verbracht haben. Daher fällt es ihnen von jeglichem Sachverstand und Selbsterfahrung befreit auch leicht unbelastet jene Sachgutachten zu bestellen die zur gewollten juristischen Entscheidung oder einem Gesetz führen sollen. Und da auch die Gerichte nicht vom Volk gewählt werden sondern von Politikern bestückt werden, natürlich mit lauter streng unabhängigen Leuten die nach den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen mal unabhängiger von der einen oder unabhängiger von der anderen Partei bzw. Gesinnung sind. Was am Schluß rauskommt hat dann inhaltlich dieselbe Qualität wie wenn eine Runde zölibatärer katholischer Priester über Ehe- und Frauenangelegenheiten urteilt.

Wie die Branche läuft
Aber zurück zum Urteil. Auch wenn die Leute aus Redmond unendlich viele Antipathiepunkte gesammelt haben und (neben Benutzerdaten) immer noch sammeln, sachlich waren die Begründungen für jemand der vom Fach ist natürlich Käse. Wie sehr der eingebaute Browser Mitbewerber hindert zeigt der Erfolg von Firefox, die Media Player Geschichte ist noch eine größere Farce und man mag von den winzigen Weichen halten was man will - deren Produkte sind die am besten/meisten dokumentierten auf der Welt. Und zwar aus guten Grund: Microsoft war sich stets bewusst dass man Betriebssysteme nur dann verkaufen kann wenn es ausreichend Anwendungen dafür gibt. Also muss ein geschäftstüchtiger Betriebssystemproduzent dafür sorgen dass sich möglichst viele Softwarehersteller finden die für dieses Betriebssystem brauchbare Anwendungen produzieren. Und das geht nur indem man diesen Herstellern eine ausreichende Menge an SDKs etc in die Hand gibt und sie mit MSDNs, Technets, Libraries usw usf zuschüttet. Wer das in den letzten 3 Jahrzehnten nicht gemacht hat ist vom Markt oder in die Nische verschwunden.

Auch das Betriebssystemmonopol hat sich gerade in den letzten Jahren kräftig relativiert. Sowohl private als auch gewerbliche Anwender können heute zB auf Linux wechseln, niemand ist wirklich gezwungen die Produkte von Microsoft einzusetzen. Und sobald man im Internet ist kann man heute fast alles ohnehin im Web machen. (ganz anders in so manch Sozialstaaten in denen Bürger gezwungen sind teuer zahlendes Mitglied bei kranken Kassen oder Standesvertretungen sein zu müssen und sich gegen das Steuerstaatsmonopol nur durch Auswanderung wehren können). Da der Inhalt des Urteils also in der Praxis nicht hält - könnte es vielleicht ein politisches Urteil sein?

...und was das Urteil kaufmännisch bedeutet
Nun, die Redmonder Buchhalter haben ihren Abschluß sicher nicht in der Baumschule gemacht und werden entsprechend kaufmännisch vorgegangen sein. So ist es Standard dass sich ein Kaufmann gegen juristische Wagnisse sobald bekannt absichern muss, zB dadurch dass der Kaufmann für den Fall einer Strafe sich vereinfacht gesprochen etwas zur Seite legt um nicht durch die Strafe dann bankrott oder kurzfristig illiquid zu werden, das gebietet die kaufmännische Sorgfalt (und in manchen Ländern auch das jeweilige Recht). Weiters ist davon auszugehen dass die Finanzprofis bei Microsoft hinter den Kulissen sowohl die Bußgeldwahrscheinlichkeit als auch die Höhe einigermaßen richtig taxieren konnten und bereits seit Jahren sicherheitshalber eingepreist haben in die europäischen Produktpreise. Mit anderen Worten - Microsoft wäre heute kein finanziell erfolgreiches Weltunternehmen wenn deren Finanzfachleute zu blöd wären solche Strafen an den Kunden weiterzugeben.

In Konsequenz bedeutet dies also dass sich in Wahrheit die EU von Microsoft Geld geholt hat das ohnehin wieder von genau jenen bezahlt wird die die EU vorgibt schützen zu wollen. Es ist für den Bürger oft nicht billig solche Schützer zu haben. Bleibt nun die Gretchenfrage über - wohin versickern innerhalb der EU-Bürokratie die 497 Millionen die man Microsoft auferlegt hat und die Microsoft auf den Kunden umlegen wird / bereits umgelegt hat?

Konsequenzen
Ganz ehrlich, wir von UNTERNEUNTUPFING Aktuell sind durch das Urteil verunsichert. Nicht dass wir jemals so groß werden wollen wie Microsoft, nein das wäre wirklich größenwahnsinnig. Außerdem sind wir non-kommerziell, ehrenamtlich, karitativ orientiert. Dennoch, im täglichen deutschsprachigen und europäischen Politikwahnsinn gibt es immer mehr Gründe aus der EU zumindest virtuell auszuwandern um sich nicht Telemediengesetzen auszusetzen die ein Paradies für Abmahner sind, oder man denke nur an Bundestrojaner und Onlineuntersuchungen. Umgekehrt, ist man der zunehmenden Diktatur Europas entronnen darf man dann auch virtuell nicht mehr zurück ohne dass es so richtig in Europa wieder teuer werden kann. Vielleicht brummt uns dann die EU eine Milliardenstrafe auf weil wir Pointen setzen die in unserer Zielgruppe eine dominante Stellen haben und andere vom Schmunzeln zerebral ausschließen?
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Weitere Links zu EU, der Wirtschaft und den ganzen Rest:
Bald Blondinenverbot im EU-Flugverkehr?
Vorratsdatenspeicherung bald auch für Privatpersonen Pflicht?
Wirtschaftskunde mit Erdnüssen

(Bild: southernfried / morgueFile / Morguefile terms)

4 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Wo die Scheinchen bleiben? Werter Herr Rick, wenn Sie es nicht wissen, wer sonst?

Ihr Erdge Schoss

Rick hat gesagt…

Die rätoromanische Frage auch selbst zu beantworten, werter Herr Schoss, war mir als juristisches Wagniss dann doch zu teuer. In Unterneuntupfing könnte man sich nicht mal eine ordentliche F1-Spionageaffaire leisten...
Ihr Rick

Reverse Eating hat gesagt…

mal wieder ein sehr interessanter blickwinkel.

weitsicht ist ja im allgemeinen eine fähigkeit, die unter politikern rar gesät ist.

Rick hat gesagt…

Vielleicht, guter Herschel, ist bei manchen sogar die Weitsichtigkeit ein Problem. Gibt ja etliche die wo die ganze Zeit damit verbringen nach USA, Venezuela, Russland, Iran, Irak oder sonstwo weit weg zu gucken und dabei schon gar nicht mehr wissen wo bei denen zuhause der Schuh drückt für die sie eigentlich arbeiten sollten und von denen sie idR fürstlich bezahlt werden?