16.09.2007

Seine unvergesslichsten Hits...

Ältere Zeitgenossen werden sich vielleicht noch erinnern - es gab mal Zeiten da war es gute Sitte zuerst mal eine gewisse Latenzzeit verstreichen zu lassen nachdem eine Berühmtheit aus der Unterhaltungsbranche verstorben war bis man sein Werk noch einmal kaufmännisch so richtig ausschlachtete. In Zeiten von Reality-TV, Chatroom-Gebalg, Supernannys & Co kann in unserer Konsum- & Spaßgesellschaft auf veraltete Bräuche keine Rücksicht genommen werden. Wir sprachen dazu mit einem Experten der kommerziellen Ausschlachtung von verblichenen Superstars...

Der jüngste Fall
Vor kurzem ist einer der größten zeitgenössischen Tenöre Luciano Pavarotti nach schwerer Krankheit verstorben. Vermutlich war noch nichtmal der Totenschein ausgestellt und die Leiche abgekühlt als bereits weltweit das Marketing der Neuauflage seiner größten Hits, seiner unvergesslichen Konzerte, seiner größten Arien und natürlich der 20 DVD großen Sammlerbox in der geschmackvollen Sonderschatulle mit vielen schönen Bildern aus seinem Leben und bislang unveröffentlichten Privataufnahmen durch die Werbekanäle getrommelt wurde. Wenn ein Star stirbt dann kann man noch einmal so richtig Kohle machen. Allerdings muss es schnell gehen - die Gratiswerbung über den Todesfall findet schließlich nur kurz in Presse, Funk und Fernsehen statt. Drei Tage später dominieren dann wieder andere wirklich wichtige Themen, wie z.B. die Kleidung von Parteivorsitzenden, gefakte Aussagen von amerikanischen Präsidenten, irgendwo verschwundene niedliche kleine blonde Mädchen oder peinliche Nacktfotos von Celebrities.

Die Tücken des Geschäfts
Was viele Menschen nicht wissen, die Verwertung von aktuell verstorbenen Stars wird von wenigen großen internationalen Unternehmen weltweit kontrolliert. Wir hatten die seltene Gelegenheit dazu ein Gespräch mit Bo D. Stripping - Geschäftsführer der Mortal Comeback Inc. mit kaufmännischem Sitz auf den Caymans und einer operativen Zentrale in Palermo - zu führen. Mister Stripping erläutert uns dabei die Tücken & Herausforderungen der Branche:

"In kaum einer anderen Branche ist schnelle Reaktion so wichtig wie bei uns. Wenn ein Star stirbt dann sind die Menschen für kurze Zeit bereit noch einmal eine Menge Geld auszugeben für eine Kopie von dem was sie ohnehin schon bereits seit Jahren zuhause haben. Die Trauer setzt Emotionen frei und den Verstand aus. Und genau diesen kurzen Moment müssen wir Nachlassmedienverlage perfekt treffen."

Weltweite Vernetzung
Herr Stripping verrät uns weiteres Brancheninsiderwissen:
"Da wir schnell reagieren müssen und zum Zeitpunkt eines Todesfalls eigentlich schon die Werbekampagne im Kasten haben müssen bzw. die Greatest Hits Sampler bereits auslieferbar sein sollten sind wir natürlich weltweit mit allen Meldeämtern, Behörden und Krankenhäusern vernetzt. So wissen wir Bescheid wo sich Stars gerade aufhalten, wie schlimm bereits ihr Gesundheitszustand ist und bei wem wann mit einem geschäftsfördernden Ableben zu rechnen sei. In unserem Headoffice läuft auch ein Live Ticker in Form eines Death Tickers damit uns ein Verscheiden eines Stars nicht durch die Lappen geht."

Vergessene Stars der 50er, 60er und 70er
Wir stellen uns das bei Stars die ihre besten Zeiten lang vorbei haben nicht immer leicht vor. Mister Stripping lächelt und spricht aus dem Nähkästchen:
"Natürlich haben wir eine Archivabteilung die proaktive Vorbereitungen trifft. Zum Beispiel die besten Aufnahmen alter Stars aus jüngeren Tagen sammelt, schließlich werden gerade Stars die in ihrer besten Zeit attraktiv und sexy waren nach der Glanzzeit besonders aufgedunsen, fett und häßlich. Und das verkauft sich nicht gut. Stars die bereits nicht mehr ganz frisch auftreten haben wir in einer Sonderevidenz, schließlich erhöht sich dadurch gemäß Lebensversicherungsmathematik die Chance auf einen baldigen Geschäftsfall für uns. Leider gibt es auch so Fälle wie die Rolling Stones die bereits seit Jahrzehnten wie Zombies auf der Bühne stehen und einfach nicht verscheiden wollen, das verursacht bei uns entsprechend hohe Lagerkosten aus Evidenzhaltung."

Genre-bezogenes (ex)post mortem Marketing
Wir fragen ob sich alle verstorbenen Musikgrößen gleich vermarkten lassen? Herr Stripping verneint und detailiert:
"Mitnichten. In den Stilrichtungen Punk, Grunge, Gangsta Rap, R&B und Reggae erwartet der Konsument eine gewisse jährliche Sterblichkeitsrate nicht-natürlicher Tode. Gemeinsam mit den beiden anderen Anbietern unserer medialen Nachlassverwertungsbranche vereinbaren wir daher auch jährliche Abschussquoten: Sie wissen schon - Verkehrsunfälle, Schießereien, Drogenüberdosen etc. Damit diese auch zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Anzahl eintreten dotieren wir an freie Mitarbeiter entsprechende Mortalisierungsprämien. Unsere Buchhalter verbuchen diese Gelder dann kreativ auf dem Aufwandskonto Kopfprämie gegen Mohammedkarikaturisten, das wird in multikulturell geprägten sozialen Marktwirtschaften vom jeweiligen Finanzamt problemlos anerkannt."

Der Sonderfall One-Hit-Wonder
Und was macht man nun wenn das Oeuvre der Verblichenen sehr dünn ist und eigentlich nur aus einem einzigen genialen Werk besteht? Kann man da überhaupt eine Greatest-Hits-Collection noch profitabel gestalten? Bo D. Stripping scheint über unsere Naivität amüsiert:
"Aber gewiß doch. In so einem Fall besteht die Greatest Hits Box einfach aus 24 Versionen des einen selben Lieds. Das Original, den Radio Mix, Club Mix, Tropicana Remix, die gerapte Version, 5 Live Versionen, 4 nachträglich gemischte Duette mit aktuellen Stars die den Verstorbenen nie getroffen hatten oder gar gekannt, 7 Coverversionen, 2 Instrumentals usw. Dazu noch eine Menge Videos, Originalinterviews und ein paar gefakte Informationen gegen die sich der Verstorbene juristisch nicht mehr wehren kann. Vergessen Sie nicht - wir sind deshalb weltweit führend weil wir eben Profis sind und unser Geschäft verstehen."

Warum wir niemals berühmt werden wollen
Wir von UNTERNEUNTUPFING Aktuell bedankten uns für das Gespräch und hatten wie so oft das Gefühl eine echte Menge über das Musik- und Medienbusiness wieder dazugelernt zu haben. Allerdings haben wir in der Redaktion darauf einstimmig beschlossen niemals berühmt zu werden. Es könnte sein dass wir unseren kurzen Ruhm nicht allzulang überleben würden...
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Printjournalist - ein aussterbender Beruf?
Madeleine vermutlich nicht in Unterneuntupfing
Jetzt hat es auch die Gurken erwischt

(Bild: Wikipedia / GNU FDL)

4 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Ich musste gerade am Anfang Deines Beitrages an Paul Potts denken. Das ist schon ein beeindruckender Sänger, trotz „Superstars“
Zum Thema: das Musikgeschäft ist heute ja sehr hart und jede Chance zu Vermarktung wird knallhart ausgenutzt .Ein Tod bietet sich da ja schon sehr gut an, denn in Zukunft kann man auch noch bei jeden Todestag eine CD neu auflegen.
Ich musste zwar ziemlich lachen bei diesen Artikel, aber ehrlich gesagt ist es ja wirklich so.
Gibt ja genug Promis die sowieso erst nach ihren Tod erfolgreich waren.
Und die Absturzquote in die Drogen- und Alkoholszene ist ja gerade bei Promis sehr hoch.Ich würde auch so gar nicht berühmt sein wollen,genausowenig wie Millionär.Das ist mir alles viel zu anstregend

Rick hat gesagt…

Zu den Millionären hast Du, werte Daniela, ja einen schönen Artikel geschrieben.

Der Preis der Berühmtheit ist wohl diese Öffentlichkeit und die weitgehende Vernichtung der Privatsphäre. Und natürlich Trittbrettfahrer die sich an den Kreativleistungen anderer mehr oder minder schamlos bereichern. Vermutlich sind deshalb soviele so unkreativ und einfallslos wie möglich um ja nicht kopiert und ausgewertet zu werden?

Vielleicht solltest Du daher auch mehr Schrott schreiben, das Stressfreiblog ist ja schon sehr frequentiert. Am Weg zur Berühmtheit. Ich würde an Deiner Stelle wachsam sein... ;)

Anonym hat gesagt…

Das fehlt mir noch, dass ich irgendetwas schreibe um berühmt, bekannt oder sonstigen zu werden!
Mir sind das jetzt schon viel zu viel Leser.
Ich überlege schon die ganze Zeit, wie ich die weitere Ausbreitung meines Blogs verhindere.
Da bin ich also schon sehr wachsam und hellhörig.
Ehrlich gesagt tun mir die ganzen Promis sehr Leid. Dieser ganze Stress, der um sie herum gemacht wird, überall wird man fotografiert, kein Privatleben. Ich schätze den meisten gefällt es nur kurze Zeit, auch wenn sie es anders behaupten.
Ich finde es auch schon recht makaber, diese Vermarktungs- Strategien. Vor dem Tod sollte jeder Respekt haben, gleich ob damit Geld zu verdienen ist oder nicht

Rick hat gesagt…

Leichenfledderei gibt es wohl bereits so lange wie es Leichen gibt. Kulturen gehen vermutlich nur unterschiedlich um mit den Toten und Toden. Die einen Kulturen bestatten die Toten mit Unmengen an Reichtümern, bei den anderen wird Hab & Seel schon verteilt bevor der letzte Atemzug getan wurde.

Ob man mit den Promis Mitgefühl haben soll? Hm. Wer sich für ein Prominentenleben entscheidet entscheidet sich auch für die Schattenseiten. Wer Spitzensportler werden will muss sich daran gewöhnen sich regelmäßig beim Pinkeln beobachten zu lassen, wer in die Politik geht dass sein Privatleben ausgeschlachtet wird, wer in der Showbranche ist wird sich auch nicht aussuchen können wann er/sie wo wie fotografiert wird. Anders sieht es wohl bei unfreiwillig Prominenten wie Natascha Kampusch aus...