12.11.2007

Populäre Formen sein Geld zu verbrennen

Diskussionen über Wirtschaft & Fussball verlaufen in deutschsprachigen Landen sehr ähnlich: besonders heftig und emotional lehnen sich gerade jene ins Zeug die das selber noch nie persönlich auf professioneller Ebene gemacht haben. Und je weniger Praxiserfahrung einer hat desto mehr fühlt er sich als Experte. Wirtschaftsanalphabetismus schlägt auch ins private Geldleben nieder. Die populärsten Wege wie Sie heute Ihr Geld richtig verlustbringend veranlagen können...

Rahmenbedingungen
Das Glücksspielbusiness boomt, nicht wenige Experten meinen deshalb weil viele Menschen längst keine Hoffnung mehr hätten mit anständiger Arbeit zu Wohlstand zu kommen. Gleichzeitig gibt es Massen die das progressive Steuersystem sogar verteidigen - ein System das wie bei einem Hometrainer die Schraube immer mehr andreht je mehr man sich Mühe gibt. Ein hocheffizientes Leistungsbestrafungssystem das dafür sorgt dass 90% der Bevölkerung stets gleich arm bleibt. Aber Solidarität und so, frage nicht! Einem Volk das keinerlei Verständnis für Finanzen und wirtschaftliche Zusammenhänge hat kann die Politik alles einreden, und viele Menschen sind in Diskussionen noch wild entschlossen ihr Unverständnis mit aller Verbalgewalt zu verteidigen. Wie in der Fankurve West, weil die eigenen Farben wollen lautstark unterstützt werden. Auch wenn es bereits gegen den Abstieg geht.

Politikabgaben
Selbständig Erwerbstätige die selber die Buchhaltung machen wissen wohin das viele Geld zwischen Umsatz und dem kärglichen Rest am Schluß hingeht. Diese Erwerbsgruppe ist hierzulanden allerdings in der Minderheit, die meisten unselbständig Erwerbstätigen haben absolut kein Gefühl wieviel Differenz zwischen dem liegt was der Dienstgeber bezahlen muss und zwischen dem was netto nach Abzug von allen Pflichtabgaben übrigbleibt. Genau in dieser Differenz findet die größte Vermögensvernichtung statt durch Politik und politiknahe Sozialinstitutionen. Diese Mitgliedschaften kann man nur durch Auswandern kündigen. Viele Menschen hingegen leisten sogar noch zusätzlich freiwillige Abgaben an Parteien oder Institutionen des Klassenkampfs, als wäre die Parteienförderung aus Steuergeldern nicht genug. Und Menschen sind sogar noch steuerngeil - verfolgen Sie beliebige Tageszeitungen oder Foren, Sie werden nicht lang suchen müssen um Beiträge der Art "Wir brauchen endlich eine Steuer für..." zu finden. Irgendwie ist es kein Wunder dass in diesen Breiten Unternehmertum eine Außenseiterveranstaltung ist.

Die bösen Multis
Seit Jahrzehnten versuchen die Autofahrerklubs vergeblich den Menschen klar zu machen dass der größte Preistreiber und Wegelagerer beim Benzinpreis der Staat ist. Umsonst, die Menschen lassen sich begeistert gegen böse Ölmultis und raffgierige Ölspekulanten aufhetzen. Die Leute glauben fest daran dass die Ölmultis riesige Geschäfte machen und wollen wissen dass der Ölpreis ständig ins Astronomische steigen wird. Nichtsdestotrotz kaufen Sie aber keine Wertpapiere auf Öl oder Aktien auf Ölmultis um an den bösen Profiten teilzuhaben die sie vermuten: damit könnte jedermann spielend ein paar Tankladungen im Jahr hereinholen.

Weltrettung
Besonders beliebt gerade unter sozial gesinnten jungen Menschen die ihr erstes eigenes Geld verdienen (durch Staat oder sogar Arbeit) sind Mitgliedsbeiträge an dubiose Umwelt-, Gesellschafts-, Tier- oder Weltrettungsorganisationen. Eigentlich haben diese Beiträge meist den Charakter einer Kirchensteuer und ermöglichen selbsternannten Weltrettern ein Leben das sie in freier Wirtschaft niemals hätten. Für das was sie vorgeben zu retten ändert sich im besten Fall gar nichts. Vermutlich ist es eine freiwillige Sozialabgabe um die Weltretter vor der Straße zu bewahren.

Konsum
Ein sinnvolles Geldleben würde bedeuten sein Leben so zu führen dass man je länger man fleißig war desto eher kommt man in die Situation dass man nicht mehr für sein Geld arbeitet, sondern das Geld arbeitet für Dich. Die einen scheitern daran dass Geld ideologisch belastet sei und sowieso pfui. Die anderen verbraten ihr Geld für alles was sie nicht wirklich brauchen im Konsum und was keine Rendite verbringt. Natürlich sollte man sich auch etwas gönnen, und natürlich sollte man achten nicht in schiere blanke Geldgier zur verfallen, aber wenn man es sich ohne Staat leisten will relativ bald nicht mehr arbeiten zu müssen hat die Natur davor kaufmännisches Handeln gesetzt. Ein besinnungsloses Grundeinkommen für alle zu fordern geht allerdings um etliches bequemer.

Hochspekulative Termingeschäfte
Die größten Risikospekulanten sitzen nicht hoch oben in gläsernen Bankenvierteln, sondern sind die Masse der Mitbürger unter uns. Viele Millionen Menschen hierzulanden bevorzugen regelmäßig hochriskante Termingeschäfte. Die Wertpapiere laufen oft nur wenige Tage, nur eine absolute Minderheit der Anleger erzielt tatsächlich gigantische Rendite während die Wertpapiere bei den meisten am Fälligkeitstag wertlos verfallen. Die Emittentin hingegen macht Riesenprofite. Man nennt es Toto oder Lotto.

Bankförderung
Wenn der durchschnittliche Bank- & Versicherungskunde beim Autokauf genauso vorinformiert zum KfZ-Dealer schreiten würde wie bei Bankgeschäften so käme er von einem Gebrauchtwagenhändler mit einem alten Waffenrad zum Preis eines neuen Porsches zurück und hätte sogar das Gefühl ein Schnäppchen erzielt zu haben. Banken, Versicherungen und diverse unabhängige Finanzoptimierer leben von der brachialen Uninformiertheit der Sparer und Anlager. 90% aller Fonds zB schlagen nicht mal den Index. Sparer lieben professionelle Produkte bei denen Gewinne versprochen werden die dann von Managementgebühren, Ausgabeaufschlägen, Rücknahmeabgelten, Zeilengebühren, Spaltengebühren, Verwaltungsgebühren und Gebührenverwaltungsgebührenspesen aufgefressen werden. Sollte ein Bildungsminister jemals ambitioniert vorhaben ordentliche Wirtschafts- & Finanzkunde im Unterricht durchzusetzen wird er vermutlich nicht mal die Begutachtungsphase des Gesetzes überleben weil ihm möglicherweise ein seltsamer Unfall zustoßen wird.

Bilanz
Die nächsten Jahrzehnte werden hierzulande spannend. Menschen die auch ein gesundes Geldleben führen denken auch ganz privat unternehmerisch und nicht unterlasserisch und wandern zunehmend aus. Die Politik hat kein Interesse an einer wirtschafts- & finanzkundigen Bevölkerung: sie würde die bestehender Politiker- und Sozialfunktionärsgeneration mit einem nassen Fetzen aus dem Land jagen. Und so werden die Expertenrunden im Laber-TV und in den Internetforen solange noch weitergehen bis keine Wirtschaftskundigen (kleine wie große) mehr da sind die das Umverteilen finanzieren...
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Weitere Artikel zu Wirtschaft & Finanzen:
Wirtschaftskunde mit Erdnüssen
Wie man ein Volk richtig zu Heuschrecken erzieht...
Frührentnertum will gelernt sein

(Bild: asterisco / stock.xchng / Royalty free)

21 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Vielleicht sollte Geld einfach auch verboten werden. Die im Umlauf befindlichen Zahlungsmittel würden dann im Rahmen einer öffentlichen Massenveranstaltung kollektiv verbrannt werden (public burning). Mein Vorschlag für Ort und Zeit: Opernplatz Berlin, 10.05.2013.

Diese Art und Weise der öffentlichen Verbrennung spricht auch die niedersten Instinkte an und sorgt somit für eine rege Teilnahme, denn historisch betrachtet, waren öffentliche Verbrennungen immer sehr gut besucht. Egal ob Antike, Mittelalter oder Neuzeit: ...and it burns, burns, burns...

Rick hat gesagt…

Geld ist böse, werter Patrick Michael, keine Frage. Insbesondere wenn jemand anderer angeblich mehr davon hat. Und öffentliche Verbrennungen waren gerade in Deutschland immer schon ein beliebtes Spektakel, ob nun Bücher während dem Adolf oder Barrikaden, Botschaften & Springergebäude durch die ähm "Befreiungskämpfer" in den 70ern.

Wobei, bei Geld muss man ja in der Öffentlichkeit flüstern. Wäre U9TA unmoderiert hätten die Wirtschaftsesoteriker von der Freigeld-, Gold- oder Zinsverbotsfraktion schon längst den Laden hier übernommen. Auch im Kommentarteil von Artikeln über Partnerschaft, Gesundheit oder kirgisischen Kunstrasen...

Anonym hat gesagt…

Geld ist böse. Geld verdirbt den Verstand. Wer zu viel davon hat, verliert ihn gar und wer zu wenig davon hat ebenso. Geld ist Teufelswerk und gehört durch die Flammen gerichtet.

In der Tat. Verbrennungen waren in unseren Gefilden schon immer sehr populär. In der Antike genügten dem Plebs panem et circenses. Heute muß es schon ein inszeniertes Großfeuer, mit schmissigen Parolen und zünftiger Marschmusik sein.

Rick hat gesagt…

Es fehlt der Zauber des Realen. Öffentliche Haushalte verbrennen seit Jahrzehnte ja Steuergelder ohne Ende, aber das ist ja nur Buchgeld, da hat der Bürger wenig davon. Also emotional betrachtet.

Gerade die fünfte Jahreszeit bietet sich zB an um schönes Konfetti zu machen. Oder eine schöne riesige Heuschrecke aus Pappmaché als Gedenkstätte? Oder man könnte die öffentlichen Schatullen plündern und den Menschen ein letztes Verabschiedungsgeld zahlen (Begrüßungsgeld war ja damals auch eine Feier)? Sparen & reinvestieren will gelernt sein.

Anonym hat gesagt…

Sparen und reinvestieren will gelernt sein. Planlos ausgeben kann auch der Dumme.

Wie wahr, wie wahr...

Ein Verabschiedungsgeld wäre eine klasse Idee, auch wenn es etwas von "friß oder stirb" an sich hat. Aber dieser negative Beigeschmack lässt sich sicherlich durch angemessene Festlichkeiiten wegpositivieren.

Die Heuschrecke gefällt mir übrigens besonders gut. Das hat zugleich auch etwas biblisches an sich. Moderne trifft Antike. Oder sind unsere Staatsmänner bereits eine der biblischen Plagen und niemand hat es bislang wahrgenommen?

Anonym hat gesagt…

Brillant, werter Herr, Sie sind die Fackel im Dunkel, weswegen auch ich künftig noch mehr als bisher die Finger von Warentermingeschäften lasse. Meine lohnendste Investition war übrigens die in eine Kiste Wein, die ich vor gut einem Jahrzehnt erstand und die jetzt das Zwölffache wert wäre, wären nicht alle Korken längst aus den Hälsen geflogen.

Hoch die Tassen
Ihr Erdge Schoss

Rick hat gesagt…

Sie sagen es, werter Herr Schoss. Soeben erst in einen interessanten Calvados investiert, erwarte mir dabei rund 40%. An apple a day keeps the doctor away.
Auf Ihr Wohl
Rick, Scotchredaktor

Anonym hat gesagt…

Ach ,da bin ich aber froh ,dass ich gar kein Geld habe und mir NIE Gedanken um solche Dinge machen muss /musste

Rick hat gesagt…

@Daniela:
Kann man jetzt so oder so sehen:
1) "Freedom is just another word for nothing left to lose." Besitz bindet.
2) Oder aber auch: wäre Dein Geldleben die letzten 2 Jahrzehnte wie Dein Gesundheitsleben gewesen bräuchtest Du fortan nur mehr die Hälfte arbeiten...

@Patrick Michael:
Vielleicht krankt es daran dass unsere Biblischen Plagen heutzutage rasch mit ihrem Latein am Ende sind weil sie keines sprechen? Wenn man in die Gazetten blickt wird panem et circenses ja heute mit Panik & Zickereien übersetzt.

Aber gemäß Gloria sic tansit mundi geht jede Gesellschaft zumindest mit einem größenwahnsinnigen Abschlußfest zugrunde. Wer ein gesundes Geldleben hat schaut sich das Fest bevorzugt von außen an...

Anonym hat gesagt…

@Rick.
Panik und Zickereien - das ist wohl eher das, was nach auf den Untergang des Ruhms folgt. :-)

Nur dabei, statt mittendrin. Sehr weise!

Das Geschehen
wird von den Rängen aus
beobachtet,
derweil sich das Parkett zu Tode wütet.


(Zitat aus dem von mir spontan erdachten Gedicht "Niedergang der treibenden Front")

Rick hat gesagt…

Verdutzt stelle ich fest, lieber Patrick Michael, wie ich bislang sträflich übersehen konnte dass so eine kraftvolle Lyrik wie Deine Spontandichtung bei U9TA bislang noch völlig fehlt. Nur noch vogonische Dichtkunst kann das toppen ;)

Reverse Eating hat gesagt…

sehr wichtig ist ein auge darauf zu haben, dass einem nicht der verstand in die quere kommt, wenn man mal wieder sein gesamtes geld für eine 20%-ige renditeversprechung auf den kopf hauen will.

Rick hat gesagt…

Nun, wirklich große Stiftungen versuchen zB sehr konservativ einen bestimmten einstelligen Prozentsatz über der Inflation zu liegen und sind damit zufrieden. Wo viel Substanz, da reichen auch wenige Prozente für ein schönes Leben. Mit vollen Hosen ist bekanntlich leicht stinken.

Für Ottonormalverzocker gilt eher Kostolany:
Wer kein Geld hat, muss spekulieren, Wer etwas Geld hat, kann spekulieren, und wer viel Geld hat, darf nicht spekulieren.
Weitere Börsenweisheiten hier.

Reverse Eating hat gesagt…

nun ja, die erste million ist bekanntlich die schwerste. aber casinomentalität findet man in jeder gewichtsklasse. schließlich werden die blasen nicht von kleinanlegern ausgelöst.

Anonym hat gesagt…

@Rick
Ich kann nicht so recht einordnen, ob das jetzt als Kompliment oder eher als destruktive Kritik zu verstehen war. Ich tippe aber auf letzteres, da die vogonische Dichtkunst nicht gerade einen guten Ruf besitzt. Andererseits gilt sie aber auch "nur" als die dritt schlechteste Dichtkunst im Universum. Von daher bliebe noch genügend Raum - sowohl nach oben als auch nach unten. ;-)

Rick hat gesagt…

Lieber Patrick Michael,
das geht mir dauernd so dass ich nicht verstanden werde *snief*.
Im Ernst, es ist meine Art Komplimente zu machen. Sollte ich mal was zu Bekritteln haben steht es entweder oberhalb der Kommentare, oder ich schreibe ein ehrliches Mail. Ich fand die spontane Lyrikerruption verblüffend und erfrischend. :)

Anonym hat gesagt…

Da bin ich sehr erleichtert. Dankeschön! :-)

Grundsätzlich bin ich natürlich kritikfähig, aber positive Kritik ist uns allen wohl lieber, als das negative Pendant.

Heyho, heyho
So jauchzet froh
Der Schreiberling
In sei'm Büro

Die Kollegen staun'
Der Chef sich fragt
Was hier so vorging
An diesem Tag

Ich erreich das End'
Mit Müh' und Not
In uns'ren Augen
Das G'dicht war tot

Rick hat gesagt…

Beeindruckend, werter Patrick Michael, dass Du solche Lyrik einfach neben der Arbeit so aus dem Handgelenk schüttelst.. :)

Anonym hat gesagt…

Danke, aber das wirklich nur spontane "Ergüsse". Setze mich gezielt mit einem vorgegebenen Thema vor ein Blatt Papier auf das ich ein passendes Gedicht schreiben soll und ich werde mit 80%iger Wahrscheinlichkeit kläglich versagen. :-)

Aber vielleicht schaffe ich es ja und kann diesen Blog wenigstens einmal pro Monat mit einem Gedicht zu einem dem hier behandelten Themen "bereichern". Käme auf einen Versuch an. ;-)

Rick hat gesagt…

Jede anständige Zeitung die wo was auf sich hält hat irgendwo einen Lyrikcorner. Nicht selten wird dieser besonders gerne gelesen. Ich werde angestrengt darüber nachdenken was ich Dir, werter Patrick Michael, da in Zukunft anbieten kann :)

Anonym hat gesagt…

Und ich, lieber Rick, werde noch viel angestrengter darüber nachdenken ob ich in der Lage wäre, euch in Zukunft einen entsprechenden Content für diese spezielle Contentcorner liefern zu können. :-)