04.10.2007

Frührentnertum will gelernt sein

Das Unangenehme an wirklich freien Marktwirtschaften ist ja dass wer erwerbsfähig ist und nicht arbeiten will auch nichts zu essen hat, deshalb eine unbeliebte Gesellschaftsform. Im Sozialismus geht es arbeitstechnisch versorgter zu, allerdings gibt es über kurz oder lang nicht mal Benzin für das Auto das man nicht hat. Und Mauern & Zäune. Toll hingegen die europäische soziale Marktwirtschaft mit ihrem weichen sozialen Netz. Allerdings will es gelernt sein dieses auszukosten statt es stümperhafterweise zu finanzieren...

So wird es berichtet
Wie der SPIEGEL zuletzt berichtete zeige eine Studie dass es heute sehr wohl von einem wohlwollenden Gutachter abhänge ob man aufgrund schwerer psychischer Störungen zum Anspruch einer Frührente komme. Wie die Erfahrungen aus dem realen Unterneuntupfinger Umfeld zeigen ist es oft auch beschwerlich bei möglicherweise leichter zu diagnostizierenden physischen Störungen - selbst wenn der Patient die Mehrzahl der Jahrestage im Krankenhaus verbringt und dort von den Ärzten nicht weggelassen wird. Es erscheint in der Tat so dass der Gang aus dem Erwerbsleben Geschick erfordert und man dabei einige Dinge gut beachten sollte.

So kann das nichts werden
Im Unterneuntupfinger Umfeld gibt es nicht wenige Leute die dazu neigen sich zu Tode zu arbeiten und dafür auch noch eine Menge Steuern zahlen. Aus der Perspektive der sozialen Marktwirtschaft haben diese erwerbsüberwilligen Menschen das bestehende Wirtschaftssystem nicht verstanden und sind so gesehen ziemliche Versager. Aus Erfahrung weiß man dass folgende Symptome natürlich nie für eine Frührente reichen:

  • Wenn Sie nach einem schweren Arbeitsunfall bäuchlings zur Amtsuntersuchung robben weil Ihnen nunmehr Beine und Arme fehlen besteht wenig Hoffnung auf Genehmigung einer Invalidenpension. Sie können sich ja immerhin noch durchbeißen.
  • Sollten Sie als Selbständiger oder Schlüsselkraft in den Burnout rutschen dann wird Ihnen sicherlich angeraten sich gefälligst zusammenzureißen, Tachinierer der Sie sind. Hat Ihnen ja niemand angeschafft all die Verantwortung an sich zu reißen.
  • Wenn Sie durch Arbeitsverschleiß zB Ihren Rücken so verschlissen haben dass Sie nur mehr unter lauten Schmerzensschreien aufstehen können ist das natürlich auch kein Grund für eine entsprechende Bescheinigung. Gemäß Arbeitsrecht ist der Arbeitgeber verpflichtet laut brüllende Mitarbeiter mit Schallschutzkabinen zu umgeben damit für die anderen Mitarbeiter die Lärmschutzbestimmungen eingehalten bleiben.

So kann es schon eher funktionieren
Wenn Sie also zum richtigen Gutachten kommen wollen sollten Sie in der Praxis erfolgreichen Beispielen folgen:
  • Vergessen Sie eine Erwerbsunterbrechung wegen Burnout. Wenn Sie nicht einen Arbeitsplatz ergattern konnten der idR mit Bildungsreisen zu brasilianischen Lustbarkeitsexpertinnen honoriert wird hat dies keine Aussicht auf Unterstützung. Flüchten Sie stattdessen besser in den BoreOut, dieser ist heute weithin anerkannt.
  • Gutachter sind in der Regel gefragte beschäftigte Leute. Erforschen Sie die Vorlieben & Neigungen Ihres Gutachters. Entweder können ein paar Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten so ein Gutachten positiv beeinflussen, sollte der Gutachter zu Aktivitäten neigen die wenn sie ans Licht kämen ziemlich rufmindernd wären dann amortisiert sich die Investition in einen guten Privatdetektiv oder Fotografen recht schnell.
  • Die beste Variante ist aber immer noch eine extrem kündigungsgeschützte pragmatisierte Stellung im öffentlich-rechtlichen Bereich wo Ihr Arbeitgeber nur mehr durch Frühpensionierung aus dem Arbeitsvertrag rauskommt. Das Dienstrecht bietet idR soviele Möglichkeiten sich ausreichend unfähig zu stellen ohne dass Sie ihre arbeitsrechtlichen Pflichten verletzen, das ist ja der Vorteil von einem guten Sozialstaat. Ein solcher sorgt nunmal besonders für die Menschen die nicht wollen wie sie könnten.

So sollte Prävention aussehen
Viele Menschen machen ja den großen Fehler dass sie überhaupt erst ins Erwerbsleben und in das Leben eines Steuerzahlers eintreten. Indem sie sich zB mühsam in der Praxis zur Schlüsselkraft hocharbeiten, sich privat praxisbezogen um teures selbstbezahltes Geld weiterbilden oder gar ein Unternehmen gründen bei dem sie mit der ganzen Existenz drinnhängen. Ein völliger Unfug kann man nur sagen, und gar nicht gesund. Gerade junge Menschen haben die Chance bereits nach der Schule (sollten sie irrtümlich einen Abschluß geschafft haben) eine Karriere im sozialen Netz zu machen wenn sie es nur richtig anstellen:
  • Studieren Sie am besten etwas womit Sie nicht in Gefahr geraten jemals in der Privatwirtschaft gefragt zu werden. Zum Beispiel Soziologie oder Altphilologie. Damit gelten Sie nach Abschluß beim Arbeitsamt für alles was anstrengend ist als überqualifiziert und werden nicht so gequält irgendwelche niedere Arbeiten anzunehmen.
  • Am besten Sie verlassen die Uni erst gar nicht. Engagieren Sie sich unbedingt für studienfortschrittshemmende Aktivitäten. Lassen Sie keine Demo und keine Aktion aus, verankern Sie sich in der Studentenpolitik als Hinterbänkler. Vergessen Sie dabei niemals jedem erwerbstätigen Steuernettozahler zu erzählen wie anstrengend Ihr Leben nicht ist.
  • Ein derartiger Bildungslauf prädestiniert Sie dann für einen Weg in die allgemeine Politik. Nehmen Sie um Gottes Willen keinen Job an bei dem Sie die Arbeit eines Vorsitzenden übernehmen müssen, sondern achten Sie darauf dass Sie entweder Stimmviehmandatar werden können, oder teilnehmendes Mitglied in einem Ausschuß dessen Ergebnis drei Jahre braucht und dann nichtmal der Presse umgehängt wird.

So hört es auf
Hand aufs HartzIV, gemessen an den Empfehlungen die wir hier für Sie zusammengefasst haben besteht die Redaktion von UNTERNEUNTUPFING Aktuell wohl aus Volldeppen die Social Webs nicht verstanden haben. Während andere Social Communities den Inhalt gratis von den Besuchern produzieren lassen (und die Gäste genau nix dafür zurück erhalten) aber selber die Einnahmen kassieren schreiben wir hier altmodisch noch dazu ein non-kommerzielles karitatives Satiremagazin, unterstützt von unseren lieben Kommentatoren, Partnern und Freunden. Zeigt sich wieder einmal dass es leichter ist anderen Ratschläge zu erteilen als selber danach zu leben...
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Weiterer Artikel zu Mensch, Arbeit und Wirtschaft:
Warum Sie in der Arbeit von 100% Schurken umzingelt sind
Wirtschaftskunde mit Erdnüssen
Von Steinzeit zu Steinzeit - die Zukunft der Arbeit

(Bild: grantdk / stock.xchng / Royalty free)

5 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Ich sag Dir eines:Wenn ich Gutachter wäre, dann würde ich auch alle zur Arbeit schicken. Nichts ist gesünder für die Psyche, als zu arbeiten.
Den Depressiven ist absolut nicht geholfen, wenn man sie dauerhaft arbeitsunfähig schreibt. Ganz im Gegenteil. Vielleicht hat sie den falschen job und sie sollte umschulen als Gärtner oder Landwirtin, aber niemals, niemals aufhören zu arbeiten. Das macht die Leute auch nicht gesund.
Das was da im Spiegel kritisiert wird, nämlich das die Gutachter zu selten Dauerhafte Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen schreiben, dass bewerte ich persönlich als sehr positiv.
Arbeit ist ein Freunde und gesund für die Seele. Wir haben spastisch gelähmte Menschen zum Arbeiten geschickt, die weder Arme noch Beine bewegen können, nur ein ganz klitzekleines bisschen die Hände. Aber es hat sich Arbeit gefunden und es hat den Leuten gut getan.
Sicherlich gibt es einige Krankheiten, bei denen das Arbeiten unmöglich ist. Aber das sind wirklich wenig. Nicht umsonst wird in der gesamten Sozialarbeit in erster Linie Wert auf Arbeitstherapie gelegt, egal ob die Leute psychisch krank sind, geistig Behindert, Körperbehindert, Drogen- oder Alkoholabhängig sind. Arbeit ist immer das erste Mittel der Wahl.

Rick hat gesagt…

Nu schreib das mal so in Seelchens Blog und Du bist auf einer Blogroll weniger, werte Daniela ;)

Im Ernst, als Politikerin wären diese Positionen natürlich in der heutigen Wohlstandsgesellschaft nicht mehrheitsfähig, vielmehr würde man damit wohl keinen Blumentopf bei Wahlen gewinnen. In öffentlichen Diskussionen wird erfahrungsgemäß (besonders bei Ethik&Moral-Gelaber im Öffentlich-Rechtlichen TV) selten differenziert zwischen erwerbsfähigen und erwerbswilligen Menschen. Es gibt Leute die sich selbst erwerbsunfähig sehen, aber fit genug sind um jederzeit einen Kasten Bier problemlos nach Hause zu schleppen und um einen ganzen Tag lang im Internet rumzupolitisieren. Und es gibt am anderen Ende jene Menschen mit Behinderungen deren Erfahrungswelten Du dankenswerter Weise aus Deiner Praxiserfahrung kommentiert hast.
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P.S: ein lesenswertes persönliches Essay zu Arbeit & Identität bei Frau Stressfrei findet sich hier

Anonym hat gesagt…

Ach, lieber Rick, du weißt doch wie ich bin .Ich werfe auch auf Ana–Blogs mit Tortenstückchen!

Anonym hat gesagt…

Wieder einmal brillant, werter Herr Rick, das Studieren von voll und ganz abseitigen Studiengängen hat zudem den wunderbaren Effekt, dass all die der Nutzlosigkeit anheim gegebenen Dozenten auch weiterhin im tiefen Tal der Bedeutungslosigkeit vor sich hin stumpfsinnen, da nicht rausdrängen und am Ende noch die kostbare Zeit des Arbeitsagenturspersonals strapazieren.

Einwandfrei
Ihr Erdge Schoss

Rick hat gesagt…

Wie so oft trefflichst bemerkt, werter Herr Schoss. Die öffentlich einsehbare Verwahrung bestimmter Leute sollte uns vermutlich etwas Steuergeld wert sein, dort können sie weniger Schaden anrichten. Quasi Betreutes Rumgscheiteln für wirtschaftlich nicht integrierbare Personen.
Ihr Rick, Schafredaktor