04.12.2007

Hugo Chávez: Polit-Ikone oder Pocket-Stalin?

Führerfiguren und politische Ikonen erfreuen sich im deutschsprachigen Raum ungebrochener Beliebtheit, obwohl gerade Deutschland und Österreich nicht immer gute Erfahrungen mit großen Führern gemacht haben. Die Medien beschallen uns massiv und anhaltend mit dem Treiben & Unterlassen eines Herrn Hugo Chávez von dem die meisten Bürger mittlerweile mehr zu wissen glauben als von den unmittelbaren Nachbarländern oder gar den eigenen Politikern. Was steckt hinter dem Hugo-Hype?

Medienquote
Hand auf den Hugo, wieviel liest, hört und sieht man denn in unseren Breiten über die Staatsoberhäupter von Kanada, Bulgarien, Japan, Ecuador, Belgien oder Griechenland? Selten etwas, außer es ereignen sich ebendort irgendwelche Naturkatastrophen, besondere Skandale. Oder Wahlen, was im Grunde genommen irgendwie dasselbe ist. Medien können auch nicht gegen ihre Geldbörse wirtschaften und brauchen Quoten. Und daher berichten sie am liebsten über Staatsoberhäupter die polarisieren, die man entweder besonders liebt oder besonders hasst. Weil sie so sind wie sie sind. Oder bedeutender gemacht wurden als sie weltpolitisch eigentlich sein sollten.

Stilisierung
Ikonen, Anti-Ikonen, Projektionsfiguren werden gerne hochstilisiert. Und Führerkulte sind nicht nur in Deutschland Dauerbrenner. Fragt sich wer die Stilisierer sind? Beginnt es in den Parteizentralen und Bewegungen die (weit) abseits der politischen Mitte stehen und davon leben die Welt zu vereinfachen in Gut & Böse (angepasst an ihre Zielgruppe die keine komplexen Zusammenhänge wünscht), wobei abstrakte -ismen und natürlich Köpfe perfekte Feindbilder oder Idole abgeben? Wobei nicht nur nahestehende Medien Botschafter der Ikonen & Feindbilder sind, sondern eben ein riesiges Heer von Leuten die zeitlich nicht damit belastet sein kann einer anständigen Arbeit nachzugehen (die Stammwähler der Populisten und Feindbilder-Parteien). Herr Chávez zB hat seine begeisterten Anhänger unter dem Staatsapparat und vor allem unter dem Heer von Sozialhilfeempfängern, finanziert durch die Gelder aus den verstaatlichten Bodenschätzen.

„Das wird doch alles von den Medien hochsterilisiert!“ (Labbadia, Bruno)

Bodenschätze
So gesehen muss man sich fragen ob Reichtum an Bodenschätzen wirklich gut ist für Nationen die nicht zur "ersten Welt" gehören? Ob in den Erdölländern, ob in den Bodenschätzeländern in Afrika, egal welcher politischen Gesinnung ein Machthaber angehört: solange noch etwas da ist mit dem die Misswirtschaft finanziert und Wählerstimmen gekauft werden können lässt es sich für den autoritären Machthaber, Diktator oder Populisten prächtig leben, die Hoffnung dass ein Landesbankrott die jeweilige Nation demokratisieren könnte sind für Generationen auf die lange Bank geschoben. Mit vollen Hosen ist eben leicht stinken. Was wäre zB Hugo Chávez ohne das Erdöl?

Es geht auch anders
Dabei ginge es auch komplett anders. Nehmen wir zB Muhammad ibn Raschid Al Maktum, Staatsoberhaupt von Dubai. Gewiß, auch dort ist nicht alles Glanz was goldverziert ist, aber mit politischen Meldungen fällt Herr Al Maktum fast nie auf. Der Herr Scheich führt sein Land weder sozialistisch noch islamistisch, dafür mit Weitblick und Verstand, wissend dass irgendwann mal das Öl zu Ende sein wird. Mit der Konsequenz dass nach Dubai eine Unmenge Devisen fließen und Menschen aus aller Welt dort hinwollen, entweder um dort mit ihrem Geld schön zu leben oder als Hochleistungswillige Selbiges zu verdienen. Nach Venezuela wollen nichtmal jene Sozialhilfeempfänger die in deutschsprachigen Landen fanatische Fans von der Person und den Weltanschauungen des Herrn Chávez sind.

Wie der Herr so sein Gesinde?
Was macht nun den Reiz von Hugo Chávez aus? Weil der Reiz eines großen ideologischen Führers immer sexy wirkt auf Leute in materieller (oder geistiger?) Armut? Weil viele Menschen Politik wie die Anhängerschaft zu einem Fussballverein begreifen - es gibt eine Vereinsfarbe wo alles richtig und wichtig ist solange es aus dieser Ecke kommt, und alles falsch wenn nicht? Hugo Chávez steht nicht im Ruf ein zurückhaltender Mann mit gediegenen extrem höflichen Umgangsformen zu sein. Ist er deshalb so beliebt? Wann immer in deutschsprachigen Tageszeitungen oder Foren Herr Chávez zur Sprache kommt fliegen im Diskussionsteil vor allem unter Tags wenn die meisten Menschen eigentlich einer geregelten Arbeit nachgehen und keine Zeit für Internet haben gehörig die Fetzen. Ist es also sein rustikaler Ton der vielen die ihn hier weit weg von Venezuela verteidigen oder für ihn fürsprechen ihn als einen der unsrigen erscheinen lässt? Ein moderner Robin Hood? Oder ein Latino-Kim-Jong-Il?

Wie auch immer, das Erdöl wird in Venezuela noch weitersprudeln, und auch wenn er das Verfassungsreferendum im ersten Anlauf verloren hatte : Herr Chávez und die vielen Berichte im deutschsprachigen Raum über einen Regionalpolitiker am südamerikanischen Kontinent werden uns auch weiterhin auf Powerplay verfolgen. Und wer dazu gerne deftige Debatten auf einem Niveau sucht das auch wirklich niemanden intellektuell ausschließt ist im jeweils zugehörigen Forum gut aufgehoben...
___

Weitere politische Medienspektakel:
Deutschland - Zuchtstation für Diktatoren?
Hysterie gegen Rechts
Vom Wesen der Demokratie

(Bild: Chance Agrella / Free Range Stock / FreeRangeStock terms)

11 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Überall gibt's doch, werter Rick, diese Populistischen Herrscher. Nur, dass sie bei uns die Intelligenzia mit Moneten versorgen.
Wir haben da ja auch einen - Alpenmussolini oder beruscolinischen Älpler?

Rick hat gesagt…

Danke Dan dass Du jenen Herrn so sprachlich schön neutral umschrieben hast.
Vielleicht hat der Kantönligeist in der Schweiz ja auch seinen Vorteil? So ein Land ist praktisch nur im Konsens regierbar...

Anonym hat gesagt…

Salve

Die Frage ist nur, wie lange noch? Kultur will gepflegt sein. Der Kleine ist zwar recht gut im Jagdgewerbe, doch Hege und Pflege kennt er nicht. In diesem Sinne also nicht mit Mussolini zu vergleichen, der sich sein Jagdrevier wie die alten Fürsten gut pflegen liess.

Christian

Erdge Schoss hat gesagt…

Weitsicht und Verstand, werter Herr Rick, hatte auch ein Uwe Bein. Aber was brachte es ihm? Die Reservebank. Wäre er aber einer wie Hugo gewesen ... nicht auszudenken.

Herzlich
Ihr Erdge Schoss

Rick hat gesagt…

Nun, werter Herr Schoss, hat Herr Bein auch Erdöl? Vielleicht eine kleine Tankstelle? Einen wenigstens einen Olivenhain? Man muss heutzutage im Öl sein um etwas zu werden...
Ihr Rick

P.S: Danke dass Sie sich ein blogspot-Profil gebastelt haben. Bitte unbedingt darin den Verweis auf erdgeschossrechts.de als Link noch einbauen.

Rick hat gesagt…

Wobei, Christian, historische Vergleiche sowieso wohl nur für den satirischen oder prosaischen Zweck taugen. Allzu schnell läuft man als Nachgeborener in die Gefahr die Gefühle jener zu verletzen die einen Diktator an eigener Haut noch erleben durften...

Anonym hat gesagt…

Ich probiere es jetzt mal aus ;-)

Anonym hat gesagt…

Herr Hugo Chávez ist ein politisch umgepoltes Blocher-Derivat. Ein typischer lateinamerikanischer-Möchtegern Diktator der nicht genügend Format hat, um echter Diktator zu werden.
Ein Pocket Stalin ist er bestimmt nicht. Stalin hat in seiner Jugend Banken ausgeraubt und im Pensionsalter 300 Millionen seiner Landsleute im Gulag entsorgen lassen. In Venzuela gibt es nicht genug ermordbare Masse, das Hugo Chávez eine Stalin werden könnte.
Auch Massenmord will gelernt sein.

Rick hat gesagt…

Die Schweiz, werter Antoine, braucht dringend einen Lafontaine-Verschnitt, damit Blocher nicht für jeden Populistenvergleich erhalten muss *zwinker* ;)

Im Ernst, sein Kumpel Morales hat wieder mal festgestellt dass man den Kapitalismus beseitigen müsse um den Planeten zu retten. Und nach der Wahl in Paraguay ist der MERCOSUR nun endlich so monocolor wie der COMECON. Interessante Zeiten...

Anonym hat gesagt…

Wobei ein Unterschied besteht zwischen einem gewählten Präsidenten mit dem normalen korrupten Gehabe und einem Massenmörder der sich selber an die Spitze des Staates stellt.
Der Vergleich von irgendwelchen Versagern mit grosser Klappe mit den Bewohner des sowjetischen Grusselkabinett, kommt einer Verharmlosung der stalinistischen Verbrechen gleich.

Rick hat gesagt…

Stalinismusvergleiche erfreuen sich aber unter Pöbelpolitikern gleich nach der Nazikeule ungebrochener Beliebtheit. Ein Beispiel von vielen zB hier...