19.01.2008

Wirtschaftsabsiedelungspolitik

Der jüngste Fall Nokia hat es wieder gezeigt: wenn Unternehmungen aus den sich selbst so hochlobenden deutschsprachigen sozialen Marktwirtschaften absiedeln dann reagieren Politik, Gewerkschaften, Medien und Öffentlichkeit wie ein trotziger gekränkter verlotterter Liebespartner der verlassen wurde. Ohne jede Selbstkritik & Realitätssinn, dafür mit heftigsten Verwünschungen an den der geflüchtet ist...

Aufgetakelte alte Schachtel / verfetteter impotenter Liebhaber, verlassen
Diesmal hat Nokia sich entschieden sich von einem deutschen Standort zu trennen: was für ein Konzernflittchen das seinen soliden, tollen Partner einfach für einen anderen verläßt! Schon damals hat man das nun treulose Konzernflittchen mit Geld überschütten müssen damit es überhaupt gekommen war. Und nun wo das Geld alle ist haut es einfach ab. Wie üblich verzichten Politik, Gewerkschaften, Medien, Öffentlichkeit und die üblichen Verdächtigen auf jede Form der Selbstkritik und ergehen sich in üblen Beschimpfungen der treulosen Technologietomate und in angemessenem Selbstmitleid. Ein gutes Rezept um auch noch die anderen zu vertreiben die noch da sind.

Konsument, Partnerschaft, Wirtschaft
Man müsste ja nicht Wirtschaft studiert (oder noch viel schlimmer: schon mal mit eigenem Geld & Risiko selber gemacht) haben um ein paar einfache Mechanismen zu begreifen. Das Wirtschaftsleben ist in mancher Hinsicht nicht viel anders als das Leben als Konsument oder das Partnerschaftsleben. Ähnliche Beweggründe für ein Handeln oder Anlässe für Verhalten finden sich da wie dort.

Stellen Sie sich mal vor Sie wären ein Konzernherr, Unternehmer oder Spitzenmanager:

  • Selbst ziehen Sie ja als Privatmensch ja auch am liebsten in eine Gegend wo Sie von der kompletten Nachbarschaft täglich angefeindet werden weil Sie ein neueres Auto fahren als die anderen. Als Vorstand bevorzugen Sie natürlich Länder in denen eine Neiddebatte um Managergehälter & die bösen Reichen die andere jagt.
  • Als Konsument kaufen Sie am liebsten dort wo Sie das übelste Preis/Leistungsverhältnis haben, Sie vom Anbieter mit langfristigen fast sittenwidrigen Verträgen geknebelt werden und Sie vom Anbieter sogar noch für Ihr Geld beschimpft werden. Als Unternehmen wollen Sie analog unbedingt dorthin wo Sie die Schwachmaten & Kollegenschweinen nicht kündigen können, Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern an Staat & geschützte Institutionen unverschämte Abgaben zahlen müssen und dafür mit Vorschriften, Bürokratie und Klassenkampf überschüttet werden.
  • Als privater Erwerbstätiger arbeiten Sie am liebsten mit Leuten zusammen die im eigenen Leben noch keinen Finger krumm gemacht haben aber Ihnen erklären wie Sie Ihren Job zu machen hätten. Als Unternehmen suchen Sie bevorzugt Standorte wo Leute, die in ihrem ganzen Leben noch für niemand Verantwortung übernommen haben, Ihnen vorschreiben dass Sie gefälligst Ihre soziale Verantwortung wahrnehmen müssen.
  • In der Liebe suchen Sie sich natürlich einen Partner der unheimlich von sich selbst eingenommen ist, nicht lernfähig ist, die Schuld immer bei den anderen sucht, streitsüchtig Ende nie ist, möglichst hohe Ansprüche hat und selbst nichts bieten will außer die ewige Opferrolle und einmal eine Beziehung eingegangen den Anspruch hat bis ans Lebensende nicht mehr daran arbeiten zu müssen und ausgesorgt zu haben. Als Unternehmen gehen Sie natürlich genau dorthin wo Ihnen eben dasselbe die dortige Politik, die jeweiligen Organisationen des gesetzlich institutionalisierten Klassenkampfs, die Medien, die Dienstnehmer, Lieferanten usw. bieten können. Sie wären ja als Unternehmen bescheuert wenn Sie in ein wirtschaftsfreundliches Land mit leistungsfreundlicher Mentalität & realistischer Selbsteinschätzung wechseln würden.
So gesehen natürlich völlig unverständlich dass Nokia Deutschland als Produktionsstandort verlassen will. Oder etwa nicht?

Fazit
Vielleicht aber sollte auch unser Revolverblatt umdenken. Statt täglich um jeden Leser zu kämpfen sollten wir wohl auch Redaktionsversammlungen und Schreibniederlegungen machen um dagegen zu protestieren wenn Leser mal woanders mehr Freude haben. Wenn die Leserzahlen schrumpfen sollten wir sofort die Politik zu Hilfe rufen, ja die öffentliche Hand sollte Leser bezahlen damit sie bei uns vorbeischauen (und bleiben). An der Qualität unserer Texte kann es ja niemals liegen...
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Dieser Artikel ist auch als Gastbeitrag bei unserem Kooperationspartner Rappelkopf.at erschienen. Rappelkopf versteht sich ausgerechnet als österreichisches Satiremagazin nach Tradition der Klassiker des Landes. Da Österreich internetmäßig beinahe ein 3.Welt-Land ist wird Herausgeber Mario Herger dazu viel Idealismus mitbringen müssen.
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Weitere Artikel rund um Mensch & Wirtschaft:
Beschäftigungsgarantie für alle!
Alternativen zum Shareholder Value
Populäre Formen sein Geld zu verbrennen

(Bild: Aeioux / Flickr / CC BY-NC)

8 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Zuerst benehmen sich die Politiker wie Huren, dann bescheisst sie der Freier und schliesslich bezahlt man noch den Zuhälter (die EU) dass er den Standort wechselt.
So funktioniert eben globale Marktwirtschaft. Die Politik hat schon lange nichts mehr zu sagen, da wird heute anderswo entschieden. Aber ausnehmen lassen, auf Kosten der Steuerzahler, funktioniert überall. Das ist bei uns nicht anders...

Rick hat gesagt…

Die Fälle dass die EU dann noch Übersiedelungen subventioniert hat hat es ja tatsächlich gegeben. Für Deutschland als größten Nettozahler natürlich besonders nett. Im konkreten Fall hat aber Konfektionspräsident Barolo schon versichert dass dies nicht so sei. Was für ein Glück...

Unknown hat gesagt…

..... liebe genossinnen und genossen, stehen wir auf für das absingen der Internationalen.....:
wacht auf, verdammte dieser erde
die stets man noch zum hungern zwingt
das recht wie glut im kraterherde
nun mit macht zum durchbruch dringt
reinen tisch macht mit dem bedränger
heer der sklaven, wache auf
ein nichts zu sein, tragt es nicht länger
alles zu werden, störmt zuhauf
völker, hört die signale!
auf, zum letzten gefecht!
die Internationale erkämpft das menschenrecht!
völker, hört die signale!
auf, zum letzten gefecht!
die Internationale erkämpft das menschenrecht!

es rettet uns kein hö'hres wesen
kein gott, kein kaiser, noch tribun
uns aus dem elend zu erlösen
können wir nur selber tun!
leeres wort: des armen rechte! leeres wort: des reichen pflicht!
unmündig nennt man uns und knechte
duldet die schmach nun länger nicht!
völker, hört die signale!
auf, zum letzten gefecht!
die Internationale erkämpft das menschenrecht!
völker, hört die signale!
auf, zum letzten gefecht!
die Internationale erkämpft das menschenrecht!

In stadt und land, ihr arbeitsleute
wir sind die stärkste der partei'n
die müssiggänger schiebt beiseite
diese welt wird unser sein
unser blut sei nicht mehr der raben
und der nächt'gen geier frass
erst wenn wir sie vertrieben haben
dann scheint die sonn' ohn' unterlass
völker, hört die signale!
auf, zum letzten gefecht!
die Internationale erkämpft das menschenrecht!
völker, hört die signale!
auf, zum letzten gefecht!
die Internationale erkämpft das menschenrecht!


..... und jetzt, liebe genossinnen und genossen, legen wir ma' die roten fahnen und utopien beiseite und denken ma' wirklich nach warum die grosskonzerne den standort zentraleuropa als nicht mehr wettbewerbsfähig erachten und nur mehr mit einem gewissen finanziellen aufwand der öffentlichen hand ihre produktionsstätten offen halten.....
..... genossinnen und genossen, die zeit, und somit die wirtschaft, lassen sich nimmer zurückdrehen, wagen wir das undenkbare und kommen endlich auch in der gegenwart an.....:
..... der klassenkampf findet schon lange nimmer bei uns statt.....!
..... auch der klassenkampf wurde globalisiert und in ein land verschoben wo man diesen zu besseren konditionen führen kann.....
..... selbst der klassenkampf is' für zentraleuropa zu teuer geworden.....!

Rick hat gesagt…

Das machst Du, kopfchaos, doch nur weil Du ganz genau weißt dass man bei blogspot keine Kommentare editieren kann und hier jede Freundesmeinung freigeschalten wird wo eigene Meinung drinn steht *knurr*. Noch eine Internationale und es wird in St.Gallen einen bösen Unfall geben bei dem ein bärtiger Katzenvater kreativ Schmerzen erleiden wird *zwinker*...

Unknown hat gesagt…

*grin*

..... okee, ich ändere mein liedgut.....:
" auferstanden aus ruinen
und der zukunft zugewandt.......... "

Gaviota hat gesagt…

Da fällt mir ein Witz auf spanisch ein...ich versuche ihn zu übersetzen:
Eines Tages fragte der Sohn seinen Vater, was Politik ist! Der Vater sagte: Schau mal, dass ist sehr kompliziert aber ich werde dir ein Beispiel nennen, damit du versuchst es zu verstehen.
Deine Mutter ist der Staat, ich bin der Manager, das Dienstmädchen ist die Arbeiterklasse, du bist das Volk und dein kleiner Bruder ist die Zukunft.

Der Sohn ging spielen ohne wirklich zu verstehen was sein Vater gesagt hat.

Als er vom Spielen zurückkam, hat er seinen kleinen Bruder weinend im Bett vorgefunden, weil er in die Windel gemacht hatte. Er lief um das Dienstmädchen zu suchen, damit sie das Baby sauber macht, hat sie aber mit seinem Vater im Bett vorgefunden. Dann lief er zu seiner Mama, welche aber tief und fest schlief. In diesem Moment hat er begriffen was Politik ist.
Währen der Staat schläft, hat der Manager die Arbeiterklasse unter Kontrolle, dem Volk hört niemand zu und die Zukunft ist total beschissen!!!!

Rick hat gesagt…

Ja, ein Klassiker in diesem Kontext, liebe Gaviota.

Apropos: vielleicht schläft in Deutsch Bogotá die fürsorgliche staatliche Verwaltung deshalb so schlecht weil es dzt weder Unternehmertum noch Arbeiterschaft in der dortigen Region gibt? ;)

Gaviota hat gesagt…

Herrlich ...das kann natürlich sein...:-)