20.02.2008

Schrebergärten - Spiegel unserer Gesellschaft?

Ärgern Sie sich auch oft über furchtbar kleinkarierte und gleichzeitig größenwahnsinnige Mitmenschen die Ihnen den Alltag vermiesen? Oder über Leute die Alles und Jedes unbedingt in Regeln zwängen wollen? Atmen Sie durch - diese Leute können vermutlich nicht ihre genetischen Triebe ausleben weil sie keinen Schrebergarten besitzen...

Kleingartensiedlungen
Ursprünglich hat man ja Kleingartensiedlungen geschaffen damit auch arme Städter sich ein klein wenig Gemüse anbauen können. Seitdem heute kein Mensch mehr Gemüse isst (es sei denn aus Fertigprodukten oder zur Pizza, Burger oder zu Döner verarbeitet) gibt es Schrebergartensiedlungen damit auch Städter das Gefühl haben können mitten in der Stadt ihr Häuschen am Land zu besitzen. Schließlich gibt es kaum einen urbanen Menschen der im täglichen Stau, Dreck und Lärm nicht von Landromantik träumt aber seine Stadt dafür niemals verlassen würde. In Wahrheit gibt es aber Kleingartensiedlungen nur deshalb um bestimmte Leute von Karrieren in Politik, Gewerkschaft oder (un)wichtigen Ämtern abzuhalten.

Genetisches
Wer in Deutschland, der Schweiz oder in Österreich unbedingt leben will kann vermutlich gar nicht anders aus als seine Mitmenschen und jene die das Land im Großen wie im Klein(karierten) regieren so zu nehmen wie sie sind. Zu einem gewissen Teil zumindest. Bestimmte Dinge scheinen dem homo germanicus, dem homo helveticus und dem homo austriacus genetisch vordefiniert. Zum Beispiel: treffen zwei Deutsche aufeinander gründen sie sofort eine Gewerkschaft und einen Verein, treffen drei Österreicher zusammen dann entstehen neben den Vorschriften auch sofort die Sonderregelungen und Improvisationen um die Vorschriften zu umgehen, und treffen vier Schweizer aufeinander entstehen sofort automatisch zwölf neue Dialekte. Möglicherweise ein Naturgesetz.

Verordnungstechnisches
Und der Mensch der in diesen Landen lebt ist verordnungsgeil und Normierungsfetischist (und steuerngeil, das nebenbei). Natürlich gibt es zB in Deutschland und in Österreich ein landesweites Kleingartengesetz welches sicherlich grosszügig flankiert wird von zusätzlichen Verordnungen auf den unteren Verwaltungsebenen. Speziell bei den Schrebergärtnern jedoch ist dass die bereits ohnehin reichlich vorhandenen gesetzlichen Regelungen einem Kleingärtner absolut nicht ausreichen. Im Gegentum: ist eine Kleingartensiedlung mal gegründet werden mit viel Liebe sofort Unmengen an zusätzlichen Regelungen erfunden denen sich alle zu unterwerfen haben, von der Anzahl der maximalen Himbeersträucher über die Höhe der Hecken, von der Beschaffenheit allfällig erlaubter und verbotener Gartenmöbel über die Ausrichtung der Zierbeete hin bis zu allen Dingen die man über den Kalender oder Uhrzeiten gebieten oder vor allem verbieten kann. Hat ein Kleingärtner es mal in einen Siedlungsvorstand geschafft verbringt er 105% seiner Arbeit nur mehr mit Vorschriftserfindung und -kontrolle und den Rest mit Gartenarbeiten.

Fazit
Viel täglicher Unbill ist vermutlich deshalb zu ertragen weil es einfach nicht genug Schrebergärtensiedlungen für alle gibt wo sich die Menschen dann so austoben können wie es der eingeborenen Spezies hierzulande in den Genen liegt. All das was normal in den Schrebergärten ausgetragen wird muss von kleingartenlosen Menschen in den Büro- oder Amtsalltag verlegt werden, wo dann Mitmenschen in Ersatzhandlungen gequält werden. Wer es nicht mal in den Vereinsvorstand einer Kleingartensiedlung geschafft hat muss dann halt all den Größen- & Verordnungswahn in kommunaler, kantonaler oder nationaler Politik ausleben, irgendwo muss es ja raus. Eine friedliche & soziale Gesellschaft braucht daher nicht etwa mehr Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Finanzämter (oder natürlich Antifaschismusmahnmale in Deutschland), sondern Schrebergärten. Am besten von außen versperrbar...
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(Bild: miko / stock.xchng / Royalty free)

14 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Zu den Gefahren des Schrebergärtnerns!
Ich - besser meine Frau, hatte einen Schrebergarten den sie auch tüchig verwaltete. Eines Tages kam sie auf die goldene Idee auch Tomaten zu pflanzen. Ergo musste ein Gewächshäuschen gezimmert werden. Ich gab mir wirklich alle Mühe und stellte so ein Ding auf.

Beim ersten Windstoss, kippte das Gebilde in sich zusammen. Die mitleidigen Blicke der italienischen Schreberspezialisten bereiten mir noch heute schlaflose Nächte.
Danach musste ich nicht mal mehr einen Nagel einschlagen - zu lausig, mein Image als Handwerker...

tobiwei.de hat gesagt…

"Von außen versperrbar", das Zauberwort.

Dann aber "drinnen" auch alle Insassen zu Rosenblütendurchmesserkontrolleuren oder Heckenhöhenbeauftragten machen, sodass jeder seinem Drang nach "Ick hab' hier die Hosen an!" nachkommen kann, ansonsten brechen die eines Tages aus und in der Politik können wir noch mehr Pedanten nun wirklich nicht gebrauchen...

Gaviota hat gesagt…

Erst heute habe ich erlebt wie griesgrämig die Menschen teilweise da draussen drauf sind...es ist zum wahnsinnig werden....Denken sie nicht daran, dass wir nur dieses Leben haben, das Beste draus machen sollten und die Dinge etwas lockerer nehmen sollten??? Ein Lachen wird leider immer seltener :-(

....und manchmal fährt das Glück,
"dank" des intensiv geregelten Lebens mit lauter (Hinweis-)Schildern,an manchem Menschen vorbei...

Erdge Schoss hat gesagt…

Wie kein zweites Areal, werter Herr Rick, vereinen Schrebergärten Natur, Observationswesen, Ruhestörung und kleinbäuerliches Idyll. Traumhaft.

Und Ihr federleicht hingetupfter Steifenpolizist sorgt im erdgeschossrechts für einige Furore ...

Chapeau
Ihr Erdge Schoss

Rick hat gesagt…

Kein Zweifel, lieber Dan, es ist wahnsinnig wichtig seiner Umwelt rechtzeitig zu zeigen wofür man geschaffen ist und wofür eher nicht ganz so. Das erspart allen viel Leid und unerfüllte Erwartung. Von mir zB erwartet niemand botanischen Rat, denn es ist bekannt dass in meiner liebevollen Obhut sogar Unkraut depressiv wird und sofort zu Kompost wird. Vermutlich habe ich den berühmten schwarzen Daumen...

Rick hat gesagt…

Nun, guter Tobias, im Osten Deutschlands hat das was Du angesprochen hast ja rund 4 Jahrzehnte lang prächtig funktioniert, im großen Rahmen. Und aus der Distanz Unterneuntupfings betrachtet sieht es so aus als bastle man in D dzt eifrig an einem noch größeren Nachfolgemodell...

Rick hat gesagt…

Möglicherweise geht es vielen Menschen einfach viel zu gut, liebe Gaviota, wodurch sie viel zu viel Zeit haben sich den Kopf darüber zu zerbrechen wie schlecht es ihnen denn gehe und wie sie diesen Frust denn am besten auf andere abladen könnten?

Das geregelte Leben ist wiederum das Paradies für die Denkfaulen: solange alles vorgegeben ist (und wer anderer es auch nicht schöner haben darf) braucht mensch nicht selber darüber nachdenken wie mensch denn sein Leben gestalten könne. Viele empfinden das sehr bequem...

Rick hat gesagt…

Könnte man doch bloß, werter Herr Schoss all das was Sie ansprachen in geschlossene Kulturgemeinschaften wegisolieren. Damit die anderen wo nichts mit angesprochener Kleingartenidylle am Hut haben ein ungestörteres Leben hätten...

Reverse Eating hat gesagt…

der mensch will gärtnern, soviel ist gewiss. viele menschen, die nicht die möglichkeit haben einen schrebergarten zu beackern, geben sich auch dem guerilla gardening hin. die meisten allerdings kennen diese tätigkeit nicht, oder haben angst, dass hunde ihre öffentlich gepflanzten radieschen besudeln könnten. sicher zurecht...

ich denke, das ausklappbare indoor-beet ist die einzig zukunftsweisende alternative.

Rick hat gesagt…

Ein wichtiger Hinweis, Herschel. Ich denke die Zukunft wird sicherlich geprägt werden von Flashmob Events bis an die Szene bewaffneter Guerilla Gärtner, gesponsert von der Kunstrasenmafia. Bevorzugt gepflanzt ultraschnellwachsendes Gras das bereits binnen Minuten als fertiger Joint aus der Erde (oder dem Beton) schiesst...

Anonym hat gesagt…

Sehr genau beobachtet, wenn sich die meisten Personen im Parlament auf einen Schrebergarten konzentrieren würden, könnten sie sich genauso austoben, würden dabei aber das Land nicht schädigen.

Das gibt dem "Schrebergärten sind wie eine Therapie"-Spruch eine völlig neue Bedeutung.
;-)

Rick hat gesagt…

Vermutlich, lieber Erik, macht es aber für die angesprochenen Leute viel mehr Spaß ein ganzes Land zu terrorisieren als bloß ein paar fellow gardeners. Vielleicht sollte man das alte Stadtstaatenkonzept wiederbeleben und die Nationen verkleinern wenn es schon nicht genug Schrebergärten gibt?

Anonym hat gesagt…

Falls die Dichte der Schrebergärten zu hoch werden sollte, rechne ich mit kriegsähnlichen Handlungen der jeweiligen "Einwohner", respektive von den Vereinsvorständen angeordneten Scharmützeln. Siehe "Gullivers Reisen" Big Endian und Little Endian (die mit den Eiern, keine Ahnung wie das übersetzt wurde).

;-)

Rick hat gesagt…

Hoffentlich kann Tourismusspezialist Bee all jenen die Pointe erklären die noch nie bei Gullivers Reisen gebucht hatten... ;)