24.11.2007

Denk-nix-Tag

Bild zum Beitrag Es wird wieder einmal der Internationale Kauf-Nix-Tag begangen, initiiert von Gruppierungen die nicht wirklich von Wirtschaftskenntnissen aber dafür von viel Missionierungseifer beseelt sind. Warum Konsumverzicht häufig radikaler Blödsinn ist, was stattdessen viel sinnvoller wäre und welche weiteren Formen der Enthaltsamkeit gerne mal die Falschen treffen...

Kauf nix
Wie unter anderem das Portal DER WESTEN berichtete findet wieder mal der internationale Kauf-Nix-Tag statt. Begangen mit Aktionen und Brimborium natürlich wie auch sonst insbesonderen in den Städten und dort wiederum vor Einkaufstempeln und in Shopping-Meilen. Ziel des Tages ist es wie so oft bei dergleichen Gelegenheiten gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen irgendwo und gegen die bösen internationalen Konzerne hinzuweisen und diese ganz heftig zu schädigen damit das ganze Unheil aufhört. Es geht um demonstrative Konsumverweigerung und nicht um mündiges Kaufverhalten, schließlich läßt sich mit Vernunft ja nicht die Welt verbessern. Es braucht nicht weiter erwähnt werden dass Organisationen wie ATTAC ganz besonders bei der Gestaltung dieses wichtigen Tages mitmischen.

Denk nix
Die üblichen Konsumverweigerungsaktionen und Konsumboykottaufrufe kommen für gewöhnlich immer von Menschen aus derselben Gesinnungsecke die viele Ideen zur Weltrettung haben aber leider keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse geschweige denn von einer Selbsterfahrung als (kleiner regionaler Familien-) Unternehmer belastet sind. Immer wieder gibt es junge Menschen die auf der Straße Aktionen machen bei denen sie darauf hinweisen dass für den Markenturnschuh XY der bei uns um 99,- zu haben ist die Näherin aus Bangladesh nur 2c bekomme. Nach Ansicht dieser Aktivisten ist die Differenz von 98,98 Reingewinn eines bösen Konzerns. Frei nach einem österreichischen Kanzler der dereinst einem Journalisten missmutig ein "Lernen Sie (zuerst) Geschichte!" entgegengeraunt hatte möchte man diesen jungen Leuten ein "Lernt zuerst Kostenrechnung!" ans Herz legen. Und kommt erst wieder wenn Ihr unter der retrograden Bezugskostenkalkulation kein Berechnungsverfahren aus Russland vermutet. Ähnlich gehaltvoll sind die stets wiederkehrenden Boykottaufrufe gegen Ölkonzerne oder Fastfoodketten - die jucken nämlich diese Unternehmen zuerst mal gar nicht, treffen aber kleine Tankstellenpächter oder Franchisenehmer (und deren Angestellte und lokale kleinstrukturierte Lieferanten, und deren Familien etc) sehr wohl, und damit genau die Falschen. Weltverbesserung sollte irgendwie erst dann erlaubt sein wenn man ein ausreichend umfangreiches Examen in Wirtschaftskunde nachweisen kann.

Hilft nix
Wobei zwar nicht Konsumverzicht sondern bewusstes Kaufverhalten sehr wohl sinnvoll wäre, und die demokratischte Abstimmung mit den Füssen die in einer freien Marktwirtschaft denkbar ist, und jeder der Geld hat ist abstimmungsberechtigt. Gäbe es so etwas wie einen durchgängig mündigen Konsumenten dann wären viel Transitverkehr, viel Umweltverschmutzung und viele entleerte Landstriche durchaus vermeidbar. Wenn der Kunde nämlich zB bevorzugt Produkte & Leistungen kaufen würde die mehr durch guten Inhalt denn Verpackung glänzen, Produkte & Leistungen aus der Region statt den Knoblauch aus China und den Kopfsalat aus Weitwegistan. Regionale Lebensmittelerzeuger im deutschsprachigen Raum können im internationalen Wettbewerb nicht über den Preis sondern nur über die Qualität bestehen. Wenn der mündige Konsument will dass in den Supermärkten in Zukunft nicht nur mehr industrieller importierter Nahrungsmüll angeboten wird, und dieser in 3 Einheitssorten, dann sollte er auch bereit sein den einen Euro oder den anderen Franken mehr für lokale Qualitätsware zu bezahlen.

Lies nix
Unter falsch gemachter Enthaltsamkeit leiden meistens die Falschen. Bei einem Trink-nix-Tag oder Rauch-nix-Tag jammern die Gastwirte. Unter einem Ferkel-Nix-Tag (zur spirituellen Selbstreinigung durch Askese zum Beispiel) leidet meistens der Geschlechtspartner, außer er/sie hält sich indes durch ein weniger asketisches Auswärtsgastspiel schadlos. Von Freitag nachmittag bis Sonntag abend herrscht im Internet häufig der Lies-Nix-Tag (geht einher mit dem Hirnaus-Wochenende vor dem TV). Darunter leiden viele Blogger die sich auch am Wochenende bemühen ihren Lesern ein kurzweiliges Vergnügen zu bereiten. Es wäre völlig gelogen wenn davon nicht auch dieses Revolverblatt zuweilen betroffen wäre...
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Weitere wichtige Tage im Jahreslauf:
Allerscheinheiligen
Halloween
Internationaler Weltidiotentag

(Bild: Cosmic Kitty / Flickr / CC BY)

8 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Ich bin für den Mach-Nix Tag. Drum lass ich das Schreiben sein. Macht-Nix oder?

Rick hat gesagt…

Quäl-Dich-bei-Nix, lieber Dan. Nachdem Du auch zu den ganz fleißigen Bloggern gehörst hast Du Dir sowieso eine Pause verdient. Und danke dass Du auf das Kommentier-nix verzichtet hast :)

Reverse Eating hat gesagt…

mal wieder ein großartiger artikel. allerdings möchte ich behaupten, dass ein wirtschaftsstudium übertrieben wäre. gesunder menschenverstand würde schon reichen.

viele leute sehen einen missstand, überlegen sich eine maßnahme dagegen und vergessen, dass das ergreifen der maßnahme vielerlei auswirkungen hat, da unsere welt nunmal nicht eindimensional ist. dabei ist es eigentlich kein großer schritt zu verstehen, dass das durchschnittliche 'aktion-reaktion-konstrukt' nicht symmetrisch ist, man vielmehr von 'aktion-reaktionen' sprechen kann.

aber dir muss ich das nicht erzählen... :)

Rick hat gesagt…

Du hast sicher recht, guter Herschel, dass ein Wirtschaftsstudium nicht die erste Wahl wäre, schließlich sitzen an den Unis ja auch genug Professoren die es sich nicht nehmen lassen ihren Studenten zwar kein Praxiswissen aber dafür ihre politische Gesinnung angedeihen zu lassen. Praktische wirtschaftliche Selbsterfahrung hingegen ist diesbezgl unschlagbar.

Die Welt mehrdimensional verstehen zu wollen, das will der Kunde nicht ;) Lieber schwarz/weiß, links/rechts, gut/böse, das ist einigermaßen übersichtlich. Und prima wenn man jemand hat der einen auch das noch geistig vorkaut. Hand auf die Fernbedienung und los geht's mit Berieselung...

Anonym hat gesagt…

Ich bin, bis auf einen Punkt, völlig einer Meinung mit dem U9TA Gründer: Mir schmeckt chinesischer Knoblauch besser.

Was die eindimensionale Weltanschauung mancher Mitbewohner(innen) dieses Planeten betrifft, kann ich nur empfehlen hin und wieder "Im Räderwerk" von Satre zu lesen. Sozusagen ein alter "Reality-Check" oder widerspricht sich diese Aussage?

Rick hat gesagt…

De gustibus (non) est disputandum. Zumindest soll chinesischer Knoblauch deutlich gesünder sein als chinesisches Kinderspielzeug.

Sartre? War das nicht jener Mann der Che Guevara als den "vollkommendsten Menschen unserer Zeit" bezeichnet hatte? Wenn ja mag er vermutlich nicht die vollkommendste Quelle für einen reality check sein.. ;)

Anonym hat gesagt…

Satre mag ein streitbarer Zeitgenosse gewesen sein, aber "Im Räderwerk" ist eine gute Analyse darüber, wie sich die hehrsten politischen Pläne unter dem Druck der Interessen der anderen Staaten in Luft auflösen. Ist allerdings kein wirklich lebensbejahendes Buch. Wenn man sich bei der Lektüre von den offensichtlichen Referenzen auf Kuba löst, dann wird man mit einer guten Bestandsaufnahme der internationalen Politik konfrontiert.

Rick hat gesagt…

Buchempfehlungen sind hier immer gerne gesehen. Viele junge Menschen (wenn sie noch lesen) schreiben gerne Sartre auf ihre Literaturliste. Es wird seinen Grund haben. Ich persönlich lese lieber einen gut gelaunten Keller als einen existentialistischen Sartre, aber Geschmäcker sind nunmal sehr verschieden..;)