23.12.2007

Die (Ohn)macht der Kritikerpäpste

Seit es die Menschheit gibt unterteilt sie sich in eine kleinere Anzahl von Leuten die Dinge erschaffen, erfinden und vollbringen und eine viel größere Anzahl von Leuten die zwar selber nichts zustande bringen, aber über die Taten und Ergüsse anderer mosern und sich das Maul zerreißen. Jedoch nur der absoluten Verreißerelite ist es vergönnt zu mächtigen Kritikerpäpsten aufzusteigen, zweitklassige Schimpfer bleiben ewig verdammt im Kulturteil von Tageszeitungen wenig beachtete Verrisse zu schreiben (oder Lehrer zu werden)...

Den Suff zum Beruf
Unter der Schlagzeile Seine Urteile sind Gold wert - die Macht des Weinkritikers widmete die NZZ jüngst dem Weinguru Robert Parker einen ausführlichen Artikel. Darin wurde auch berichtet dass sein Newsletter 45000 Abonnenten hätte in über 40 Länder, und sein Urteil würde Weinpreise weltweit entscheidend beeinflussen. Fragt der Schelm sich was so die Urteile von Herrn Parker wohl beeinflussen werden? Wie auch immer, wenn man Kritikerpapst ist hat man es wohl geschafft. Und da man von keinem Kritiker der Welt irgendwie erwartet dass er/sie das schon mal selber gemacht hat was er/sie kritisiert ist dies ein verlockender Beruf den jeder ergreifen könnte.

Nicht nur in der Gastronomieszene sind Kritiken ein relevanter Faktor. Ein Buch zB das von Marcel Reich Ranicki verrissen wird ist mit hoher Wahrscheinlichkeit spannend, unterhaltsam, witzig und lesenswert. Und wenn ein Spitzenpolitiker von den eigenen Leuten überschwänglich gelobt wird ist er idR ein heißer Kandidat in nächster Zeit aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten zu werden. Doch nicht alle Coniferas auf einem Gebiet haben es bislang zu Prominenz gebracht wie nachfolgende Schicksale stellvertretend demonstrieren.

Kunst rasend
Jewgenji Blumentov, welcher in einem kirgisischen Bergdorf lebt, hat von einem Freund erfahren welche Möglichkeiten ein Kritikerpapst so hat. Aber da der kirgisische Wein verbesserungswürdig ist und halb Kirgisistan mehr über Ziegen weiß als er hat er sich eine vielversprechende Nische gesucht: Kunstrasen. Herr Blumentov stieg rasch zum führenden Experten für Kunstrasen, dessen Aufzucht, Schnitt und Düngung auf. Dummerweise bemerkte er zu spät dass in seinem Bergdorf weder Strom und schon gar nicht Internet existiert. Wodurch sich sein erster Newsletter wohl noch ein wenig verzögern dürfte.

Mit Gurken rumgurken
Einen etwas anderen aber nicht minder beeindruckenden Weg ist Heidelinde Sauertopf gegangen, die führende Spezialistin für Gurkenkonfitüre (-marmelade) im deutschsprachigen Raum. Ob nun Mousse aus feingerippten Spreewaldgurken, ein süßes Rösti aus der Appenzeller Almgurke oder Gelee aus der Marchfelder Säbelzahngurke, Frau Sauertopf kennt sie alle. Samt Zubereitungsrezepte, Haltbarkeiten und Verwendbarkeiten in der modernen Liechtensteinischen Süßspeisenküche. Einzig kennt umgekehrt niemand Frau Sauertopf wodurch sie ihren Newsletter vorerst nur an sich selbst verschickt.

Von Fallen zum Mausern
Tom Jerry wieder ist der ungekrönte König der Mausefallen. Der bekennende Messie hat in seinem Appartement in der Bronx ideale Voraussetzung für den Test von Mausefallen und Tötungsmaschinen für Nagetiere aller Art. 21mal landete er bereits bei Feldversuchen im Krankenhaus weil die Nager schlauer waren, welche sich wie man munkelt auch köstlich amüsierten über den Milchmann, den Postboten und den Zeitungsjungen welche nicht so helle waren und in ihrem Dienst fielen als sie Herrn Jerry besuchten. Mister Jerry weiß nun zwar mittlerweile fast alles über Mausefallen, aber da er völlig pleite ist kann er sich nicht mal ein Internetcafé leisten um Newsletter zu verschicken. Gerüchten zufolge will er sein Testlabor zu einem BDSM-Studio umbauen um wieder zu Geld zu kommen.

Mit Trigami Harakiri
Unter Bloggern herrscht der weitverbreitete Glaube alleine die Fähigkeit ein Blog eröffnen zu können reiche schon völlig aus um höchstverdienender Kritiker für alles werden zu können. Plattformen wie Trigami vermitteln Aufträge Blogrezensionen zu schreiben, etwas was gerade von Bloggern die nicht mehr Leser haben als das Fachblatt Kirgisischer Kunstrasen Heute gerne aufgegriffen wird. Allerdings dürfte das Glück nicht auf Seiten der virtuellen Nachwuchskritikerpäpste sein - man liest im Internet bald mehr Artikel von Bloggern die stinksauer sind über die erzielten Honoraren als Kritiken selbst. Metakritik an der lausig bezahlten Kritik. Eine Entwicklung die man sicher weiter kritisch betrachten wird müssen, schließlich ist die Finanzlage so manch hoffnungsvollen Kritikbloggers bereits kritisch...
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Weitere Artikel zu Meinung, Gesellschaft, Trend und so weiter:
Alles nur Inszenierung
Habemus tamtam
Jetzt hat es auch die Gurken erwischt

(Bild: okrobpr / stock.xchng / Royalty free)

3 Lesermeinungen:

Anonym hat gesagt…

Dazu der Kalauer: "des Kritikers Lust übertupft des Bloggers Frust", oder so... vielleicht auch noch den hier: die Ohnmacht des Satirikers vor dem grossen Wort.
Aber genug gekritypt, schliesslich steht Weihnachten vor der Türe und dazu lieber Rick, wünschen die schweizer passivkritischen Blogger dir und er ganzen Crew von U9tA ein besinnliches Fest mit viel (guten) Bescherungen.
Prosit!

Gaviota hat gesagt…

off topic:
Hoffe, lieber Rick, du hattest schöne Festtage und hast dich richtig erholt ;-)
LG

Anonym hat gesagt…

"Kirgiesischer Kunstrasen heute" klingt zwar interessant, ist aber schlichtweg erfunden. Trotz intensivem Befragen der Frau Gugel konnte ich als einzige Blog-Quelle zum Thema Kunstrasen das Hoppe-Blog unter www.buero-hoppe.de/blog finden. Schon cool, zu was für Themen es schon Blogs gibt...