19.10.2007

Tücken der kreativen Offline-Vermarktung

Wenn eine Website keine private Urschreitherapie bleiben soll dann hat das Schicksal vor die Bekanntwerdung die Vermarktung gesetzt. Online bedeutet das im Internet an vielen Stellen den Leuten gerade genau so wenig auf die Nerven zu gehen dass sie einen noch besuchen. Offline, also im realen analogen Leben, ist die Vermarktung ein wenig diffiziler. Dabei können schon auch ein paar kleinere unbedeutende Pannen passieren...

Ausgangspunkt
Offline Vermarktung war für UNTERNEUNTUPFING Aktuell ja bislang kein Thema. Also zumindest nicht in eigener Sache. Bis wir jüngst bei Österreichs Vorzeigeblogger Mag.Ritchie "Datenschmutz" Pettauer (das ist jetzt ausnahmsweise kein Scherz, es gibt tatsächlich Blogger aus Österreich, wirklich!) blätterten und dort auf die Blogparade Offline-Vermarktung von Websites und Blogs von selbstaendig-im-netz.de stießen (und uns wunderten warum die Kollegen von SIN diese Parade ausgerechnet Online starteten, da hätte man noch mutiger sein dürfen).

Da in diesem Revolverblatt zB über Wirtschaft nur schreiben darf wer das schon mal selber gemacht hat entschieden wir uns für einen Selbstversuch in der Praxis. Und versammelten ein paar örtliche Helfer die viele große Ideen und kein Geld mitbrachten. UNTERNEUNTUPFING Aktuell ist ja ein karitatives Satiremagazin, ein NoBudget-Projekt und das noch ganz am Anfang, in einer Welt wo man täglich von humorlosen Leuten auf Egotripp umzingelt ist also quasi ein nahezu unverkäufliches Produkt. Aber was nicht einen gewissen Härtegrad hat greifen wir hier traditionell gar nicht an und somit war die Aufgabe gerade richtig.

Leserkampf
Man stellt ja immer wieder verblüfft fest wie hoch die Toleranz minderprivilegierter Erwerbstätiger gegenüber Überprivilegierten ist die dafür streiken ihre Privilegien behalten zu dürfen, auf Kosten der Minderprivilegierten. Diese Toleranzwelle sollte man ausnutzen, so unser Gedanke. Also besorgten wir uns Trillerpfeifen, bastelten Transparente mit Aufschriften wie Für 31% mehr Leser! oder Weniger Postings, mehr Zugriffe!, klebten unsere Internetadresse und den Schriftzug U9TA auf Warnwesten. Es hätte so schön werden können. Bis jemand aus der Gruppe uns hinwies : "He Leute! Eigentlich haben wir in Unterneuntupfing ja gar keinen Bahnhof. Nicht mal Geleise. Schon gar keine Züge?!" Wir erkannten dass eine gute Idee auch das passende reale Umfeld braucht.

Überirdisches
Unterneuntupfing liegt in deutschsprachigen Landen irgendwo zwischen Gruezikon, Großkinkerlitz und Hintersiebenkirchen. Im ländlichen Raum, und dieses Spezifikum sollte man für konsequente Offlinevermarktung nutzen. Jemand zeigte uns einen reißerischen Zeitungsbericht wo wieder in einem Kornfeld seltsame Kreise aufgetaucht sind die vielleicht auf außerirdische Intelligenz schließen ließen (irgendwo muß Letztere ja sein, auf diesem Planeten ist sie definitiv nicht). Ja, solche Meldungen bringen Aufmerksamkeit. Also beschlossen wir in einer Nacht-Umnebelt-Aktion in ein entsprechendes Feld deutlich sichtbar unsere Insignien einzuarbeiten. Um 22:00 bei Dunkelheit ging es los. Bei Morgendämmerung hatten wir gerade mal das erste N aus UNTERNEUNTUPFING Aktuell ins Feld gemäht. Unser Projektname ist irgendwie ein beschissen langer Name für einen ordentlichen Kornkreis. Wir verwarfen die Idee.

Tierisches
Blieben aber bei unserer agrarischen Fixierung. Wenn schon nicht Flora dann muss halt Fauna als Werbeträger herhalten. Musterbeispiel die lila Kuh eines Schokiherstellers, das können wir auch, so dachten wir zumindest. Dummerweise gibt es aber im ganzen Landkreis keine Kühe, nichtmal Zebras, sondern nur Ziegen. Ziegen sind übrigens was Bodypainting betrifft besonders während der Paarungszeit nicht übertrieben kooperative Tiere. Also wichen wir auf einen benachbarten Fischteich aus. Und machten die Erfahrung dass frische Farbe auf Fischen unter Wasser nicht sehr lange hält, leider. Brennt man die Internetadresse mittels Branntzeichen auf die Fischhaut ein reagieren die meisten Fische ein wenig letal darauf und eignen sich anschließend nicht mehr als schwimmender, sondern nur mehr als einmalig tauchender Werbeträger. Wir trennten uns von dieser nicht so effektiven Idee, schweren Herzens.

Über Zielgruppen nachgedacht
Und konzentrierten uns wieder auf Menschen. Eigentlich produzieren wir hier ja völlig am Geschmack der heutigen Massen vorbei, viel zu lange Texte, keine nackten Tatsachen, keine witzigen fremden Videos. Also sollten wir besonders Menschen suchen die viel Zeit haben, worauf wir ins örtliche Seniorenheim pilgerten. Dort wurden wir freudig empfangen, verteilten unsere Visitenkarten und wenn die Pfleger wegschauten homöopathische Medizin (Hausgebranntes) und bekamen ein Menge abgefahrener Geschichten erzählt die genauso wirr sind wie das Zeuchs das wir hier schreiben, nur dass die dortigen Menschen sie ernst meinten. Zwei Wochen nach der Aktion hatten sich unsere Leserzahlen absolut nicht verändert. Im Gespräch mit der Heimleitung erfuhren wir warum: 50% der Insassen hatten schon am Abend vergessen dass wir überhaupt da waren und wer wir sind, 40% hatten unsere Visitenkarten verlegt, 8% sahen bereits so schlecht dass sie nicht mal barrierefrei surfen könnten und die restlichen 2% dürfen nicht mehr an die einzige Internetstation im Heim weil sie darauf dauernd mature porn guckten. Wir lernten daraus dass man vor jeder Aktion zuerst mit dem Menschen sprechen sollte der noch am besten hört.

Liebe geht durch den Magen
Gottseidank hatten wir ja unsere Johanna. Das Hannerl hat in der großen Stadt zu studieren begonnen und dort in den Chinarestaurants nicht nur das übliche als Pikantes Rindfleisch süß-sauer feilgebotene Katzenfutter entdeckt, sondern auch die chinesischen Glückskekse. Prima Idee dachten wir, und da Johanna auch gut backen kann warfen wir den Laserdrucker an, druckten darauf kleine Zettel mit unserem Projektnamen und der Internetadresse und Johanna buk was der Ofen hielt. Aber man soll den Teig nicht vor dem Abend loben. Mit einem großen Korb dieser Kekse und viel Hoffnung schickten wir sie ins benachbarte Obergroßkopfing. Und völlig verheult kam die Gute wieder zurück. Sie berichtete die Leute hätten die Kekse alle verschlungen. Im Ganzen. Und meinten die Kruste wäre schön knackig, aber die Füllung schmecke ein wenig holzig. Wir mussten zur Kenntnis nehmen dass Obergroßkopfing einfach noch nicht bereit war für chinesische Glückskekse, was für ein Pech.

Fazit
Wo der Hase im Pfeffer liegt ist nicht immer auch der Hund begraben. Und solange nicht alle Eulen nach Rom führen sollten man im Glashaus nicht Spatzen aufs Dach werfen. Aller Unfug ist schwer, das haben wir herausgefunden. Nichtsdestotrotz, Offline Vermarktung von Web Diensten ist ein spannendes Thema. Und sobald wir von UNTERNEUNTUPFING Aktuell ausreichend groß geworden sind werden wir es wieder versuchen. Vielleicht ein wenig professioneller, aber nicht minder enthusiastisch...

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(Bild: lazydaisy / Stock.xchng / Royalty free)

13 Lesermeinungen:

Goggi hat gesagt…

Und das Ganze heisst dann originellerweise U9TA 2.0 und wird an jede Hauswand gesprayt. Grundidee wird sein, dass man die verschiedenen Hauswände in den eigenen Favoriten ablegen und sie zur nächsten Hauswand tragen kann, wo man sie mit anderen Anbietern (Sprayern) und Nutzer (Sprayereienbetrachter) teilen kann. Social Wallpainting nennt sich das dann.
Allerdings hat sich bereits ein Virus in der Szene eingenistet. Polente 2.0 greift dabei im Wisch-System die gelungenen Malereien an, die den Betrachtern offwall angeboten werden. Illegale Downloads sind somit nur noch eine Frage der Zeit, bereits findet sich im Internet ein Share-Client namens Down-Wall 2.0. Der Programmierer sei Gerüchten zu Folge ein österreichischer Blogger.

Reverse Eating hat gesagt…

fische mit dem brandeisen zu bearbeiten ist wirklich nicht die feine englische art.

...aber im ernst: ich suche noch eine genügend große fläche, wo ich mit blauen lettern 'phase-5.net' dauerhaft hinschreiben kann. wenn das dann erstmal bei google-world auftaucht gehts rund auf dem blog :)

Rick hat gesagt…

@Herschel:
Brandeisen ist ein viel zu harter Begriff. Wir hätten es Tattoo genannt...
Google Street Dings ist tatsächlich eine interessante Sache. Machte da nicht zuletzt dieses Unfallfoto mächtig Quote? Ich würde vielleicht den Einsturz eines Hauses abwarten und dann ein großes Transparent draufhängen "Diese Katastrophe wurde Ihnen präsentiert von Phase-5.net - weil Wohnen muss Spaß machen."

@Goggi:
Social Wallpainting hat sicherlich eine Zukunft, zumindest wenn dabei chinesische Gipskartonplatten als Wände verwendet werden. Die sind leicht genug zum Tragen, und was die Chinesen so in Spielzeug reinschütten und die Kids süchtig macht ist sicher auch in den Gipskartonplatten drinn. Plattenbau wird sowieso Retrowelle.
Abseits davon wird sicherlich auch das Parkraumbewirtschaftsfundraising interessant. Überall dort wo die Parksheriffs bereits privatisiert wurden steckt man einfach Erlagscheine in die Windschutzscheibe. Bei einer PayThrough-Rate von 25% kann da schon ein schönes Taschengeld zusammenkommen...

Anonym hat gesagt…

Also "u9tupfing.com" (also auch ".de", ".at" und ".ch" würde auf die Speichen-LEDs passen (13 Buchstaben maximal).

Bei den Fischen ist mir spontan etwas eingefallen: Wie wäre es denn, genügend kleine Fische vorausgesetzt, wenn ihr sie darauf trainieren würdet eure URL in einer Art Wasserballett darzustellen? Das Bild würde in sämtlichen Medien auftauchen, Zoologen würden weltweit darüber berichten, Esoteriker(innen) würden zum Teich pilgern, kurz "total media awareness™".

Der Fehler bei den Glückskeksen ist offensichtlich, die Dinger sind eigentlich nicht dazu da gegessen zu werden – das sollte man bei der Zubereitung des Teigs berücksichtigen.

Und beim nächsten Kornkreis (dem gemähten, nicht dem geselligen) würde ich auf "tinyurl.com" zurückgreifen; geht einfach schneller. :-)

Eine letzte Idee noch – mir liegt der Erfolg von U9TA ja sehr am Herzen – wenn es in Unterneuntupfing ein entsprechend langes Dach geben sollte, dann könntet ihr in eine Nacht und Nebelaktion dir URL aufs Dach pinseln (nicht mit der Farbe die bei den Fischen schon nicht funktioniert hat).

Bis dahin beitreibe ich weiter gutes, altmodisches "word of mouth marketing" für euch.

Rick hat gesagt…

Lieber Erik, danke für den feinen Kommentar, er hat einen Abend gerettet.

Vielleicht muss man für solche Aktionen eine Begabung haben und vorher einfach mehr üben?

Das Seegetierballett hatten wir schon mal probiert. Da die Auswahl beim örtlichen Aquarianer nicht so groß war haben wir Tintenfische genommen. Ein russischer Freund empfahl uns etwas Wodka ins Aquarium zu schütten, dass mache die Tintenfische musischer. Wir brauchten fast einen Tag um die Tiere wieder zu entknoten.

Das mit dem Dach hatten wir letzten Herbst schon. War sehr mühsam. Am nächsten Tag 30cm Neuschnee gefallen. 4 Tage später kam Schriftzug mit Dachlawine wieder herunter. Mäßiger Werbeerfolg, jetzt im Nachhinein mit etwas Distanz und trockener Kleidung betrachtet.

Aber eine Inspiration wird in der Redaktion gleich heute abend umgesetzt: eine Flasche Doornkaat mag uns in Korngreise verwandeln. Nachdem der Herzblutfaktor wiedermal die Stats vernichtet hat ist das heute abend notwendig...

Anonym hat gesagt…

Hallo u9ta,
eure ideen zur offline-vermarktung haben mich sehr inspiriert und ich möchte eurem 'kreativ-board' extern beitreten, wenn auch ich immer sehr beschäftigt bin und oft auf 3 meetings gleichzeitig. ala, ich habe eine idee für euch: jede grosse firma, (hewlett-packard, apple, der daimler in cannstatt) wurde einmal in einer garage gegründet. also, eine garage werdet ihr in unterneuntupfing doch noch auftreiben, oder? das wird die keimzelle des nächsten virtuellen megaplanets u9ta, die mal als fixe idee und satire magazin begann und sich dann per viralem marketing in den köpfen der user von selbst entfaltete.
alles was ihr tun müsst: die garage herrichten, fotografieren, die örtlichen, regionalen und überregionalen fremdenverkehrsämter anschreiben und darauf aufmerksam machen. den rest macht die provisionsgeile tourismusindustrie und die user - generated - mouth - to - mouth - empfehlungen.
wenns dann läuft, kommt noch youtube und flickr dazu, dann gehts on- und offline ab.

Rick hat gesagt…

Danke Ganesha für den netten Leserbrief und die Anregungen. Wenn es dereinst mal gilt Unterneuntupfing touristisch auszuschlachten dürfen wir hoffentlich auf die Expertise von Betravel zurückgreifen.

Das mit den Garagen ist so eine Sache. 1999 während des New Economy Booms war es ja noch ein Leichtes mit einer Garage plus 5000$ Schulden damit 97 Mio Marktkapitalisierung zu erreichen und das Geld anschließend sicher in der Old Economy anzulegen. Für viele Menschen die damals als zuerst Amateuerinvestoren und nachher Pennyzocker dabei waren ist der Begriff Garage heute ein klein wenig belastet. Und auch die Vermarktung als Garagenrocker scheidet aus, leider ist die gesamte Redaktion so musikalisch wie unsere verknoteten Tintenfische.

Allerdings war das Stichwort Tourismus schon ein interessanter Hinweis. Vielleicht sollten wir eine Erscheinung haben. Also nicht den Pfrnudl der ohnehin mehrmals täglich erscheint, sondern eher so wie Lourdes oder so. Oder man könnte eine Art Jakobsweg machen, im Dreieck Großkinkerlitz-Gruezikon-Hintersiebenkirchen, nach St.Agatha am Komposthaufen. Gut beschildert, auf jedem Hinweis á la Noch 52km darunter die U9TA-Adresse. Jeden Kilometer ein Schild. Man wird uns vermutlich verfluchen, lange Fussmärsche sind anstrengend. Also lieber doch nicht wenn man genauer nachdenkt...

Anonym hat gesagt…

hallo u9ta,
die Idee mit dem Jakobsweg ist genial. Müsste natürlich eine eigene CI und Marke bekommen. Warum nicht von Garage zu Garage im Dreieck Großkinkerlitz - Gruezikon - Hintersiebenkirchen? Workshop - Titel (brainstorming): Die sprituelle Kraft der Verbrennung. Öffne das Tor zu Deiner geheimsten Abstellkammer durch einen Klick mit der Fernbedienung. Na ja, kann man noch anpassen.
Namensvorschläge: Der Paulpfad / Der Online Weg / Nix wie Weg . Hier sind von den Letzteren mit Sicherheit saftige Sponsorengelder der namensgleichen Firmen zu erwarten!! ,-)

Rick hat gesagt…

Kein Zweifel, im Reisemarketing kann Dir Ganesha niemand was vormachen. Der Mangel am Paulsweg ist noch dass er nach Anstrengung klingt, das ist für ein Massenpublikum nicht sehr sexy. Wie wäre es mit Ökotaxis die nur Kohlenmonoxid ausstoßen statt das doppelt so schädliche Kohlendioxid (hat ja auch 2 O's)? Vielleicht ein paar Trabbis, zwecks Retro, um das Sinnlose mit dem Unanständigen zu verknüpfen. Und von jeder Garage werden Provisionen kassiert. Wenn Trabbis zum Einsatz kommen sind die Garagen sinnvollerweise mit allem notwendigen KfZ-Mechanikerzubehör ausgestattet...

Anonym hat gesagt…

… und wenn man sich einen bekannten oder auch nicht so bekannten (weil billiger) "Promi" sucht, der ein Buch über seine Erlebnisse auf dem Weg schreibt…

Nur so ein Gedanke.

Rick hat gesagt…

Prima Idee!
Ich denke da gerade an einen arrivierten UNIX-Autor der bald seinen internationalen Durchbruch mit anderen Werken erzielen wird... ;)

Anonym hat gesagt…

Zählt der zur ersten oder zur zweiten Gruppe? Bin nur neugierig. ;)

Rick hat gesagt…

Schwer zu sagen. Was kostet die Tonne Darjeeling derzeit am Weltmarkt? ;)