08.09.2007

Blogperlen: wie man Social News NICHT einführt

Mittlerweile gibt es im deutschsprachigen Raum knapp ein dutzend Social News Communities zur Auswahl. Vor geraumer Zeit startete das Blogperlen-Projekt mit dem Ziel jenen Bloggern eine Plattform zu bieten die zwar gutes Zeuchs produzieren, aber bislang nicht so beachtet wurden. Und da dieser Dienst nun etliche Wochen später zugriffsmäßig genau dorthin driftet wo man die Unbekannten rausholen wollte wird klar: das Projekt ist ein Musterbeispiel wie man eine Unternehmung nicht gründet...


Beginn des Scheiterns
Es war ein schönes Ziel das in der Szene weithin freudig akklamiert und begrüßt wurde: es sollte eine Social News Community entstehen ohne Spam, ohne Werbeblogger und Linkschinder, ohne die großen Tiere aus der Bloggerzunft die den anderen die Frontpage-Attention wegnehmen, endlich die Chance für Blogger die keiner kennt (warum jeweils auch immer). Und da sich ein bekannter wie weithin anerkannter Name wie Robert Basic auch irgendwie (so genau weiß das keiner) um das Blogperlenprojekt angenommen hatte waren die Erwartungen entsprechend groß. Selbst immer noch als Blogperlen gestartet ist und man als Anwender eine einzige große Baustelle sah.

Positive Beispiele der anderen ignorieren
Gründet man ein kleines Café dann gibt es bereits ein paar tausend andere davon und man kann sich Gutes wie Schlechtes davon abgucken. Und sollte als Gründer immer wissen: ich muss meinen Gästen und Kunden etwas Besonderes bieten das sie anderswo nicht haben, sonst gehen sie zur Konkurrenz. Man hatte einmal bei Blogperlen angekommen nicht den Eindruck dass diese banale Gründerweisheit sich jemals bis zu Blogperlen durchgesprochen hätte.

Nun, man muss sich ja nicht gleich alles vom Branchenprimus YiGG oder dem zweiten großen Dienst Webnews abgucken, beide sehr verschieden ausgerichtet, bei beiden gibt es seit Jahren genug was man als Social News Gründer hätte vor Eröffnung lernen können. Nein, man hätte es sogar durchaus einfacher machen können. Blogperlen basiert ja auf dem weit verbreiteten Pligg-Framework, es hätte gereicht mal zu Newskick rüberzugucken welches sich auch auf eine Nische (nämlich Fussball) konzentriert. Dort hat man aus Pligg einen liebevoll bis ins Detail gestylten Dienst gebastelt, sich was bei der Einteilung der Kategorien gedacht, und wenn man als Teilnehmer mal die falsche Kategorie trifft dann ist das kein Beinbruch (oder Foul) - ein Moderator verschiebt das von A nach B (und nicht ins Abseits) und das wars (das Spiel geht weiter, der Referree lässt es laufen). Aber als Anwender weiß man was erwünscht und nicht erwünscht ist und wo es hingehört. Bei Blogperlen fährt die FAQ-Seite per Stand Veröffentlichung dieses Artikels immer noch ins Leere, der genaue Geschäftszweck und Handlungsspielraum für alle Teilnehmer somit immer noch unbekannt.

Community-Vertreibing statt Community-Building
Und weil nun keiner weiß was denn nun wirklich Blogperlen sein sollten und wer was wie wo einstellen darf oder nun doch nicht haben sich rasch ein paar Berufsquerulanten gefunden die vermutlich im echten Leben auch keiner mag und die munter auf Leute im Kommentarteil eindreschen. Und zwar so dass sich erwachsene Menschen unweigerlich an Schulzeit oder Kindergarten erinnern. Insbesondere jene die sich aus Ihrer Erfahrung mit anderen Communities und im realen Leben mit echten Menschen anständig und konstruktiv eingebracht hatten wurden damit erfolgreich rasch vergrätzt. Man fühlte sich wie in einem neuen Baumarkt wo der eine oder andere Bengel von dem man nichtmal wusste ob er zum Personal gehört einem mit Ungeheuerlichkeiten in den Ohren lag, obwohl man eigentlich nur einem neuen Startup eine Chance geben wollte und für sein "Geld" wenigstens anständig betrogen werden wollte. Von Betreibern, Moderatoren oder sonstigen Community-Betreuung ist bis heute keine Spur. Selbst die Beschwerdestelle beim Finanzamt hat mehr Kundenservice. Und Freundlichkeit.

Dabei wäre es so leicht gewesen sich die Basics von anderen abzugucken. Das genau gegenteilige Beispiel ist das liebenswerte eidgenössische Pligg.ch: eine etwas kleinere aber feine Schweizer News Community bei der der Chef-Pligger anständige Neuankömmlinge häufig persönlich auf nette Weise willkommen heißt, und alles was Spam ist bekommt einfach keine Stimmen, basta. Selbst das nicht sehr frequente Colivia schickt ab und an mal einen freundlichen Newsletter aus, Newstube arbeitet sehr erfolgreich mit netten Gewinnspielen und außerordentlich freundlichen Leuten die das betreiben (dort hat man das Geld dafür) und auch beim etwas kleineren Newsider wird man nicht angepflaumt.

Konsequentes Vermeiden des Dazulernens
Vieles von dem was in diesem Artikel beschrieben ist ist nicht wirklich neu. Etliches wurde schon in einem Feedback-Artikel bei Robert Basic zu Wort gebracht. Die Zugriffsstatistiken von Blogperlen (interessanterweise das einzige was dort für jeden klar einsichtlich ist) dümpeln nach unten. Wenn im realen Leben eine Gründung nicht gut läuft und man keinen Konkurs anstrebt dann startet man üblicherweise sofort ein ordentliche Kundenoffensive, bedankt sich für das Feedback, behebt Bemängeltes eher gestern als heute, und wirft sofort alle schlechten Kunden raus die die guten Kunden vertreiben. Das Blogperlen-Team (wer immer das ist) hingegen macht das was erfolgreiche Insolvenzler stets machen - auf Tauchstation gehen und die Kunden mit sich selbst und den Nörglern alleine lassen. Ein Projekt das von vorne bis hinten ein Musterbeispiel ist wie man eine Social Community nicht startet.

Fazit


Wir von UNTERNEUNTUPFING Aktuell sind ja komplett non-kommerziell, ein Satireprojekt für den karitativen Zweck. Und für Leser. Wir hatten uns anfangs auch selbst versucht bei Blogperlen wie bei den anderen Diensten konstruktiv einzubringen, wir hatten Blogperlen weiterempfohlen, und (da non-kommerziell) uns sind so dröge Dinge wie Traffic völlig unbedeutend (insb. jener der allenthalben von Blogperlen käme). Daher fanden wir die Blogperlen-Idee auch wirklich interessant. Und wünschen dem Projekt wie allen anderen deutschsprachigen Social News Communities die einen wirklich wertvollen katalysierenden Beitrag zur Vernetzung der deutschsprachigen Informationswelt leisten (vielleicht mit Ausnahme von BombIGG, einer Community für Freunde pakistanischer Abenteuerurlaube, das BKA fahndet noch nach der Adresse) weiterhin Erfolg! Wenn aber die Gründer nicht bald mal ihre Hausaufgaben machen wird Blogperlen in genau jenen Longtail verschwinden wo etliche andere genau deshalb bloggen weil sie keiner mag und sie nichtmal die wichtigsten Grundregeln menschlichen Miteinanders im Griff haben.

Satirische Beiträge zu Social Network, Online Community und Internet Web 2.0 :


(Bild: hinotori / stock.xchng / Royalty free)

10 Lesermeinungen:

Reverse Eating hat gesagt…

sehr schöner artikel. ich habe mich mit blogperlen nicht auseinandergesetzt, aber das klingt stark nach "verhoben". neben vielen guten ideen, großen zielen und dem technischen gerüst, braucht man für solche projekte eben auch einfach viel zeit und durchhaltevermögen.

Anonym hat gesagt…

Also …*räusper* ich halte ja von solchen Plattformen gar nichts. Also, ich meine grundsätzlich nicht.
Das liegt aber daran, dass ich den Sinn nicht kapiere!! Was bringen mir die Zugriffzahlen denn?
Mir bringen doch die Leute, die kommentieren Spaß.
Ganz im Gegenteil: Diese ganzen Besucher, die „einfach nur so mal draufklicken“ nerven doch.
Ich habe mich einmal bei Webnews angemeldet, das hat gar nichts gebracht, bisher kam nicht ein einziger Besucher von dort.
Was nützt mir denn das, wenn ich an einen Tag 700 Besucher habe, aber nur 4 Kommentare? Nichts.
Das ist ja so, als wenn ich einen Laden habe, da kommen tausend Kunden am Tag und nur 2 kaufen.

Baynado @ Blogger hat gesagt…

Der Artikel hat mir auch sehr gut gefallen.
Es zeigt doch, dass man eine Community nicht so einfach aus dem Bodenstampfen kann. So einfach ist das alles nicht, schließlich handelt sich immer noch um Menschen, für die der Dienst da sein sollte.
Ich bin selber Moderator auf YiGG.de und erlebe Tag für Tag das auf und ab der Community.
Wer seine Besucher ignoriert und misachtet oder gar gängelt hat das ganze Web 2.0 Prinzip nicht wirklich verstanden.
Mich wundert es ein wenig, ich habe von diesem Dinest mehr erwartet, schließlich bringt man mit diesem Dienst einen namhaften Blogger wie Robert Basic mit in Verbindung.
Der sollte doch wissen, wie so zu handhaben ist, oder ?

Anonym hat gesagt…

Der Beitrag bringt es auf den Punkt. Die Idee an sich fand ich ja nicht schlecht; aber, was passiert mit einem Blog der dort gelistet ist und plötzlich erfolgreich wird? Es geht doch darum, die unbekannten zu fördern. Wird der fragliche Blog dann gestrichen, weil bekannt? Fragen über Fragen, welche ja von der FAQ beantwortet werden sollten.

Herschel, Deine Worte im Gehörgang der Betreiber(innen) der Blogperlen. So ein Projekt aufzusetzen geht mittlerweile relativ schnell, anstrengend ist die Betreuung wenn das Ganze läuft.

Rick hat gesagt…

Danke an alle für die prächtigen Kommentare! :)

@Herschel:
Das was Du gesagt hast. Und von Phase 5 könnten sich die Betreiber zudem Selbstironie, Bescheidenheit und Kritikfähigkeit abgucken. Blogperlen war zudem bislang eine tlw beeindruckend humorlose Veranstaltung.

@Daniela:
Social News ist ein Social Network wie andere. Gerüchten zufolge hat sogar Frau Stressfrei auch mal bei Social Networks teilgenommen, allerdings ging es dabei nicht um News. Manche besuchen Social News Communities weil sie einfach News Junkies sind, andere wiederum haben kaufmännisches Interesse, Dritte lernen dort gerne Menschen kennen. UNTERNEUNTUPFING Aktuell hat über Social News viele wertvolle Kontakte erhalten, ich möchte keinen einzigen dieser tollen Menschen missen. Wenn Social News nichts für Dich ist so soll es so sein - es muss ja niemand mitmachen und jeder verfolgt eben zB auch mit seinem Blog andere Ziele.

@Baynado:
Schöner Kommentar dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Und wenn jemand ein Branchenkenner ist dann wohl Du.

@Erik:
Bis zum Teufel der im Detail steckt war man ja nichtmal gekommen. So gabs dort bislang mindestens einen der forderte man dürfe nur fremdes Material einreichen. Toll für Blogger die keinen anderen Menschen kennen und deshalb Blogperle sind. Wenn sich mehrere Blogger dann zusammentäten um diese stupide Einschränkung zu erfüllen wäre das umgekehrt Social Gaming. Was mir den Pelz und mach mich nicht nass sagt man da nur.

Anonym hat gesagt…

Na ja, zu Blogperlen kann ich nur sagen: "Angeschaut, weggeworfen."

Anonym hat gesagt…

Pligg Seiten gibt es fast schon zu viele.

http://worldq.de ist auch so ein Pligg-Clone

Anonym hat gesagt…

Social News sind generell nur ein Hype ohne richtigen Nutzen. Yigg und Webnews sind zu klein, die Leute konzentrieren sic daher auf Mainstream-Themen die schnell Punkte geben. Als Ergebniss hat man einen belanglosen Newsticker. Im Fall Yigg würde ich sogar von Personal SEO und nicht Social News sprechen, wie der Fall um Probloggerworld eindeutig gezeigt hat. Grosse Seiten wie Digg oder Reddit ertrinken wiederum in Themen, so das man als Benutzer nur schwer die wirklichen Perlen raussuchen kann. Man bräuchte eigentlich einen Filter für diese eigentlich als Filter gegen die Nachrichtenflut gedachten Seiten.

Anonym hat gesagt…

Moin,
vielen Dank für die ausführliche Kritik. Ich muss gestehen, dass - auch wenn es mir nicht schmeichelt ;) - viele Dinge hier angesprochen richtig sind.

Nur Gründer sind wir keine.

Rick hat gesagt…

Danke Erik für die 'offizielle' Stellungnahme. Es war in der Tat als konstruktive Kritik und nicht als Veriss gemeint. Ein Projekt wie Blogperlen sollte deutlich mehr Zugriffe haben als UNTERNEUNTUPFING Aktuell. Laut Frau Alexa ist das nicht so, außer Robert schreibt mal einen Artikel darüber.
Vielleicht kommt Blogperlen 2.0 ja noch mal hoch, der Blogosphäre und dem Projekt ist es zu wünschen.