28.08.2007

Der Fall Asashoryu

In den letzten Tagen und Wochen finden ungewöhnlich viele Besucher UNTERNEUNTUPFING Aktuell über Sumosuchbegriffe. Ganz Japan und viele Sumofans weltweit überbrücken das Sommerloch mit eifrigem Interesse an der Affaire Asashoryu - ein Grossmeister der im Krankenstand Fussball spielte und darauf heftig eins auf das geflochtene Ginkgoblatt bekam. Wir haben das Video gefunden das den Skandal auslöste, die Affaire so beschrieben dass auch Nicht-Sumofans mitlesen können und erklären was Otto Normalbürger aus der Affaire für sich lernen kann...

Ein kurzer Vergleich

Stellen Sie sich einmal vor Roger Federer (der in den letzten Jahren seinen Sport wie kaum ein anderer dominierte) gewinnt noch rasch schon leicht verletzt ein Grand Slam Turnier, sagt aber anschließend ein vom Verband organisiertes Exhibitionturnier ab wegen Verletzung.

Dummerweise wird er während seiner gesundheitlichen Auszeit aber bei einem Charity-Raclettewettkochen mit Kindern erwischt zu dem ihn ein hoher eidgenössischer Funktionäre gebeten hätte. Daraufhin sperrt ihn die ATP für 2 Grand Slam Turniere und erklärt ihn mehr oder minder zu Freiwild. Im Tennis undenkbar, oder?

In Japan und im Sumo nicht. Dort hat man gerade den langjährigen Grossmeister Asashoryu wegen einer wohltätigen Verfehlung so richtig fertig gemacht.

Was war zuletzt passiert?

Yokozuna (=oberster Champ) Asashoryu hat schon ein wenig eingedellt gerade noch das Nagoya Basho gewonnen (entspricht ungefähr einem Grand Slam im Tennis, sehr ungefähr) und sich anschließend krank gemeldet. Hier muss man noch erklären, ob Champ oder unterste Ränge - professionelle Sumoringer sind beim Nihon Sumo Kokkai (NSK), dem nationalen Sumoverband, wie normale Mitarbeiter angestellt und empfangen ein regelmäßiges Gehalt.

Und auch für den höchsten Sumoringer gilt dass er erst die schriftliche Erlaubnis einholen muss vom Verband wenn er sich einmal die Nase putzen möchte, japanische Sitten sind streng. Herr Asashoryu hat sich also für die Exhibitionturniere im Sommer (die nicht ranglistenwirksam sind und zur Promo dienen) krank gemeldet.

Dummerweise ist er aber in seine Heimat in die Mongolei gereist. Und hat dort auf Bitte eines hohen mongolischen Offiziellen an einem Wohlfahrtsfussballspiel mit Kindern teilgenommen. Im Krankenstand. Man muss vermutlich Mongole sein um die zierliche Eleganz eines 150kg schweren Sumotori beim Fussball so richtig auskosten können. Dummerweise hat die japanische Presse davon Wind bekommen.

Und was geschieht jetzt?

Der Aufruhr war entsprechend groß. Wenn es darum geht die heimischen Sumogötter in die Pfanne zu hauen steht die japanische Presse der britischen Yellowpress um kein Reiskorn nach. Es entstand eine beispiellose Hetzjagd auf den größten Sumochampion dieses Jahrzehnts der mit 21 Yusho (Turniergewinnen) bereits zu den größten Rikishi in der mehrhundertjährigen Geschichte des Sports zählt.

Sein Pech ist dass er aus der Mongolei kommt. Japaner haben es grundsätzlich nicht wirklich gern wenn den Nationalsport ein Gaijin beherrscht. Ein Ausländer als obersten Großmeister im Sumo in Japan ist ungefähr so wie wenn ein Türke in der Schweiz jahrlang unbezwingbarer Champion im Schwingen wäre, oder ein Saupreuß' (Volksmund) jahrelang bester Schuhplattler in Niederbayern. Das geht irgendwie nicht zusammen.

Nicht dass sich Asashoryu in der Vergangenheit als großer Gentleman ausgezeichnet hätte, aber nach dem Vorfall war es Zeit mal so richtig mit dem Yokozuna abzurechnen. Und der Verband NSK hat ihn darüber hinaus für die nächsten beiden Turniere, dem Aki Basho und dem Kyushu Basho 2007, gesperrt. Man muss vermutlich Japaner sein um das zu verstehen.

Normalerweise herrscht auch in Japan im Sommer absolute Saure-Gurken-Zeit. Nicht diesmal, nicht nur ganz Japan sondern auch die international interessierte Sumowelt hat nur noch das Thema Asashoryu. Herr Dagvadorj wie Asahoryu mit bürgerlichem Namen heisst ist nämlich erstmals seit man ihn kennt völlig von der Rolle.

Es wird vielfach berichtet dass er von der Angelegenheit einen schweren psychischen Schaden davongetragen habe und die letzten Wochen apathisch zu Hause wie in Hausarrest verbracht habe. Die einen meinen er solle in seine ursprüngliche Heimat sich auskurieren sobald er psychisch reisefähig sei, die anderen sind der Ansicht dass er als Sumochamp während seiner Krankheit gefälligst in Japan bleiben muss obwohl er Mongole ist was man ihm auch ankreidet.

Man muss vermutlich wirklich Japaner sein um das zu verstehen. Wie auch immer: egal wie das Turnier im September verlaufen sollte, die Öffentlichkeit interessiert sich dzt hauptsächlich für Asashoryu der gar nicht teilnehmen darf.

Was können Sie und wir daraus lernen?

Auch wir ganz normale Menschen können aus der ganzen Geschichte ein Menge für unser tägliches Leben lernen:

  • Sollten Sie jemals vorhaben länger in Japan zu bleiben machen Sie bloß keinen einheimischen Sport. Sollte Sie es dennoch tun dann verlieren Sie bitte dabei oft genug.
  • Wenn Sie im Krankenstand sind dann vermeiden Sie sicherheitshalber auch alle wohltätigen Veranstaltungen.
  • Wenn Sie ein mongolischer Offizieller bitten sollte bei einem Fussballmatch mitzumachen sagen Sie um Gottes willen "Nein."

Nachdem man Asashoryu nun eine Weile nicht bei seiner Arbeit beobachten wird können hier das inkriminierende Fussballspiel:

Mehr Sumo bei UNTERNEUNTUPFING Aktuell :

( Bilder : sachakun)

17 Lesermeinungen:

Ryo hat gesagt…

Da muss man kein Japaner sein um das zu verstehen.

Du hast im Beitrag ja geschrieben, die SUMOs sind Angestellte, und bekommen ein reguläres, monatliches Gehalt. Als nicht mit Tennis-Stars zu vergleichen.
Wenn sich ein Arbeitgeber krankmeldet, aber nicht krank ist, und auch noch Fußball spielen geht, kann das auch in Deutschland zu schweren Konsequenzen führen. Oft kündigen Firmen ihre Mitarbeiter wegen so etwas.
Man stelle sich vor, ein Bundesliga-Spieler lässt ein Turnier ausfallen wegen Krankheit, und wird dann beim Baseball-Spielen erwischt, mit vollem Körpereinsatz.
Die Fans würden toben, weil sie sich verschaukelt vorkommen würden.

Ansonsten danke für den Bericht. Obwohl ich SUMO verfolge, wusste ich noch nichts davon.

Rick hat gesagt…

Danke für den Sachkommentar, Ryo.
Natürlich wird in den meisten deutschsprachigen Landen Tätigkeit im Krankenstand mehr oder minder streng nach dem jeweiligen ArbR geahndet.
In Japan kommt die Pikanterie dazu dass Yokozunas zwar ein paar besondere Privilegien besitzen, andererseits auch besondere Pflichten. Der für Promotion verantwortliche Funktionär vom NSK verliert jedesmal tlw nicht zitierfähige Worte wenn die Ozekis oder Yokozunas nicht bei den öffentlichen Terminen auftauchen, und wenn es nur das Schautraining ist oder die Autogrammstunde für die Kids.
Nachdem Japan weltweit immer noch führend beim Karoshi und bei den Jahresarbeitsstunden ist passt Herrn Dagvordorjs Verhalten natürlich auch nicht besonders gut zur japanischen Arbeitsmoral ;)

P.S: die im Video in Zeitlupe wiederholte Szene vom Fall Asas beim Kicken wird deshalb so herausgestellt weil er dabei genau auf die Körperteile fällt wegen derer er eigentlich seinen Krankenstand angemeldet hatte...

Anonym hat gesagt…

Ich stimme Ihnen, werter Herr Rick, ohne Wenn und Aber zu. So geht das nicht, auch nicht in Sumohausen. Aber wie es dem Rasen dabei ergangen ist, das interessiert nur am Rande. Steht nicht ohnehin bald der weltweite Tag des Kunstrasens an?

Habe die Ehre
Ihr Erdge Schoss

Rick hat gesagt…

Nun, in Japan streiten immer noch Traditionalisten ("Asa möge unehrenhaft zurücktreten, dann gevielteilt werden und ist selbst noch als Fischfutter unwürdig") und Modernisten ("He Leute, Asa bringt dem NSK mindestens 30% Umsatz. Und so gut ging es uns die Jahre vor Asa nicht.."). Gottseidank treten Sie, werter Herr Schoss, als objektive mahnende Instanz vor. Ja, an den Schutz unsere Mitgewächse wie zB dem mongolischen Kunstrasen denkt wieder mal keiner. Cholera sic transit mundi...

Reverse Eating hat gesagt…

ja, die japaner sind ein strenges völkchen. trotzdem war es leichtsinnig vom herrn dagvadorj bei diesem fußballspiel mitzumachen, auch wenn seine motivation ehrenhaft sein mögen.
übrigens verlange ich, dass das "saupreuß'" in anführungsstriche gesetzt wird, ich fühle mich diskriminiert ;)

Rick hat gesagt…

Ich bedaure hiermit ausdrücklich wenn durch einen typografischen Flüchtigkeitsfehler von Bajuwaren als nordländische Suidae bezeichnete meridial minderprivilegierte Menschen in ihren regionalen und arttypischen Gefühlen verletzt wurden. Beim nächsten Mal wird man wieder gewissenhafter sein. ;)

Anonym hat gesagt…

Da würde ich gerne etwas zu schreiben.Aber ich habe gar keine Ahnung.
Deshalb lasse ich es lieber.Ich finde Menschen furchtbar, die immer etwas zu sagen haben und gar keine Ahnung haben.Aber so tun als wenn.;-)).Das ergibt nur inhaltloses Geschwafel.*lach*Aber ich wollte dir schreiben :Ich habe es gelesen und es hat mich interessiert.Habe gleich auch noch mal Frau Google gefragt ,was die dazu sagt.

Rick hat gesagt…

Nun, ist es nicht so: es zählt der Versuch am Schluß ;)
Ich werde mich dann revanchieren und dann aussetzen wenn im Stressfrei-Blog ausgiebig das Klimakterium behandelt wird. Oder Krampfadern. Oder Pferdekrankheiten. Hundehalsbänder. Die Liste ist wohl endlos...

Anonym hat gesagt…

stimmt ,über Krampfadern muss ich unbedingt mal was schreiben.Gute Idee.*grins*

Anonym hat gesagt…

Da versteh einer diese negative Aufregung! Sollte man dieses Vorfall nicht lieber als gutes Beispiel nehmen für eine innovative zukunftsweisende Idee?

So würden 2 gebrochene Beine doch dazu führen können, dass der Eigner den Bewohnern eines SOS-Kinderdorfes endlich einmal wieder Vorlesestunden zuteil werden lassen könnte, z.B. über Hydraulik, Mathematik oder die neuesten Irak-Enwicklungen. Eine durch Erkältung heisere, tiefe oder gar erotische Stimme wäre nützlich, einsamen älteren Herren einige wunderschöne Minuten mittels Telefon zu verschaffen. Auch der Einsatz von Mitarbeitern mit Burn-Out-Syndrom, Depressionen oder Mobbing-Symptomen bei der Landschaftspflege wäre denkbar, zumal frische Luft sich bekanntlich positiv auf die seelische Genesung auswirkt.

Was für eine Gelegenheit für den heutigen Arbeitgeber, die Krankheit seiner Mitarbeiter für soziale Projekte zu nutzen, würden doch die Kosten für die Unterhaltung extra für solche Zwecke eingerichteter Abteilungen entfallen. So hätte das Unternehmen eine nicht unerhebliche Kostenersparnis und könnte gleichzeitig vor der Öffentlichkeit mit seinem sozialen Einsatz glänzen. Da würde ihm die Entlassung von 500 Mitarbeiter nur noch halb so übel genommen werden.

Begeistert
Frau Ansuzz

Rick hat gesagt…

Nun, gerade viele Ausbeuter in Deutschland erkennen ja immer mehr dass das sie die soziale Verantwortung die ihnen die Bevölkerung aufträgt nicht länger tragen können und verlagern daher sicherheitshalber ihre Produktion in Länder wo man keinen Klassenkampf kennt, dafür aber eine vernünftige Arbeitseinstellung. In Unterneuntupfing empfiehlt man geknechteten Arbeitnehmern sowieso den Gang in die Selbstausbeutung, da gibts dann auch keinen Stellenabbau und alles ist gut.

Im konkreten japanischen Fall hat Herr Asashoryu das Problem dass er nur für den Monopolisten NSK seinen Beruf ausüben kann, er kann also nicht in eine andere Firma wechseln oder sich gar selbständig machen. Der NSK wiederum hat das Problem dass Asa einer der profitabelsten Mitarbeiter ist, man kann ihn also auch nicht zu übel bestrafen. Gegenseitige Abhängigkeiten sind immer ein Hund. Aber solange beide begreifen was sie aneinander haben kann es gut gehen...

Anonym hat gesagt…

Der Gang in die Selbstausbäutung bringt allerdings wieder erhelblich andere Problematiken mit sich.

Man bedenke nur die Einforderung des gesetzlichen Urlaubsanspruches, die Zahlung von Sozialleistungen oder gar die Forderung nach Gehaltserhöhung. Hier hätte man erhebliche Probleme, dies vor einem Arbeitsgericht zu argumentieren! Auch in der Selbstausbäutung kann es, bei ungeschickter Handhabung, durchaus zu Stellenabbau kommen. Nur gibt es dann keine Gewerkschaft oder gar einen Sozialplan, der schlimmeres unterbinden könnte. Auch die Problem im sozialen Umfeld sind nicht unerheblich, findet man hier doch selten Tolleranz bzgl. der teils unchristlichen Arbeitszeiten.

Dennoch ein reizvoller Gedanke!

Bei Abhängigkeiten sollte man darauf achte, sich nur den schönen hinzugeben aber auch diese nicht zu sehr zu vertiefen..... ;-))

Schmunzelnd
Frau Ansuzz

Rick hat gesagt…

Nun, der größte Wert der Selbstausbeutung ist ja die didaktische Selbsterfahrung am eigenen Leib. Man sollte ein Gesetz erlassen dass sich Menschen erst dann über Wirtschaft in der Öffentlichkeit äußern durfen wenn sie nachweisen können dass sie das schon mal höchst selbst gemacht haben. Was sehr schmerzlindernd wäre, schließlich wähnen jene die großer Klappe stets von anderen fordern was sie zu tun und zu lassen haben eine banale retrograde Bezugskostenkalkulation idR zwischen Leningrad und Wolgograd.. ;)

Das mit den Abhängigkeiten ist schön gesagt :)

Monsieur Fischer hat gesagt…

hahaha... was für eine hammer-story! hab ich gar nix mitgekriegt bisher, obwohl ich ein japan-fan bin. aber für sumo interessiere ich mich nicht wirklich.

der gute mann ist aber auch ein ganz schlauer. wenn man so berühmt ist, sollte man eigentlich damit rechnen, dass nichts unbeobachtet bleibt und am schluss alles auskommt. erinnert mich an die fc thun-geschichte, wo alle beteiligten auch etwas naiv waren.

aber nochmal, danke für die schöne story, konnte herzlich lachen!

Rick hat gesagt…

Danke Reto :)
Nun, wie auch beim FC Thun war dann psychologische Betreuung nötig. Asa gilt anders als Roger als ein wenig schlichter aber im Herzen anständiger Charakter. Es ist auch ein interessantes Sittenbild. Japan sagt man ja sei eine überdurchschnittlich höfliche Gesellschaft. Wenn es um den Zerriß eines ausländischen Halbgotts geht steht die japanische Öffentlichkeit jedoch der englischen yellow press um nichts nach...

Anonym hat gesagt…

A propos Baseball-Spiel eines krank gemeldeten Fußballers (Kommentar ryo):

Ein Sumo-Turnier ist ein Kampf, bei dem 2x150 kg und mehr mit voller Wucht gegen einander prallen. Es wird mit vollem Körpereinsatz und hohem Verletzungsrisiko gekämpft.
Es ist lächerlich, sowas mit einem Wohltätigkeits(!)-Kinder(!)-Fußballspiel zu vergleichen.

Bei aller Sympathie für Japan - ich betrachte die Haltung des Japanischen Sumoverbandes als Ausdruck der latenten Fremdenfeindlichkeit und als unerträgliche Einmischung in Privatangelegenheiten, die den Sportverband eigentlich einen Dreck angehen (sollten).

Ich schreibe das als großer Fan von Asashoryu, aber auch weil ich weiß, dass es in Japan tatsächlich eine ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit gibt. (Bin derzeit in Japan und kriege hier eine sehr interessante Diskussion um die Hintergründe der neuen Einreisevorschriften mit ...)

Rick hat gesagt…

Danke Kyoto-Fan für den Kommentar. Da unsere Leser laut Zugriffsstatistik mindestens ebenso Asashoryufans sein müssen wären wir sehr an Vorort-Gastbeiträgen interessiert. Da UNTERNEUNTUPFING Aktuell ein non-kommerzielles karitatives Projekt ist können wir außer Anerkennung und Leser leider nicht Monetäres dafür bieten...